Georgien – Jahresbericht 2023

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Nachdem Georgien Mitte 2022 zunächst eine EU-Beitrittsperspektive zugesprochen bekommen hatte, erhielt es nach einer im Dezember 2023 getroffenen Entscheidung des Europäischen Rates den Kandidatenstatus. Im Zuge der Gewährung der Beitrittsperspektive hatte die Europäische Kommission zwölf Reformempfehlungen abgegeben. Die Sicherstellung einer unabhängigen Justiz und eine effektive Korruptionsbekämpfung sind hierbei zwei wichtige Schwerpunkte, die damit auch im Fokus der Zusammenarbeit der IRZ mit Georgien stehen. Die georgische Regierung hat inzwischen einige Reformen angestoßen, wie etwa die Einrichtung einer Antikorruptionsbehörde. Kritiker hielten die eingeleiteten Maßnahmen zunächst für noch nicht ausreichend. Auch die EU-Kommission machte noch im Sommer 2023 in einer mündlichen Stellungnahme deutlich, dass sie sieben der zwölf Empfehlungen als „nur teilweise umgesetzt“ einstuft. Neben der Implementierung notwendiger Justizreformen betrifft dies auch den Abbau der politischen Polarisierung oder die Einbindung der Zivilgesellschaft in politische Entscheidungsprozesse.

Zudem sorgte im März 2023 das „Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“, mit dem die georgische Regierung die Finanzierung von NGOs aus dem Ausland regulieren wollte, für schwere Proteste und Kritik vonseiten der Europäischen Union, der USA, der Opposition und der Zivilgesellschaft.

Sie verwiesen auf Parallelen zu einem entsprechenden Gesetz, das 2012 in Russland verabschiedet wurde. Nach großen Protesten zog die georgische Regierung das Vorhaben zunächst zurück (siehe dazu auch „Ausblick“).

Konzeption

Die IRZ orientiert sich bei ihrer Zusammenarbeit mit Georgien eng an den zwölf Empfehlungen der Europäischen Union. Die Gewährleistung einer unabhängigen Justiz, Antikorruptionsmaßnahmen und die Überwindung politischer Polarisierung stehen dabei ebenso im Mittelpunkt wie die Weiterbildung der Richter- und Rechtsanwaltschaft. Diese Themen setzt die IRZ in der Zusammenarbeit mit ihren langjährigen Partnern um. Für 2023 standen für die Zusammenarbeit Sondermittel des Deutschen Bundestags zur Verfügung, die zielgerichtet für die oben genannten Themenbereiche verwendet werden konnten. Da diese Sondermittel im Hinblick auf die

EU-Annäherung neben Georgien auch für die Zusammenarbeit mit der Ukraine und der Republik Moldau zur Verfügung gestellt wurden, konnten diese Länder auch in trilaterale Formate eingebunden werden. Im Rahmen des zwischen dem georgischen Justizministerium und dem Bundesministerium der Justiz vereinbarten mehrjährigen (2022–2025) Arbeitsprogramms unterstützt die IRZ derzeit unter anderem auch die Reformen im Strafvollzug, dies in Kooperation mit dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen.

Tätigkeitsschwerpunkte 2023

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Beratung des Obersten Gerichts in zivilrechtlichen Fragen durch einen deutschen Experten
  • Seminar für Richterinnen und Richter des Obersten Gerichts zum Thema Architektenhaftung mit Bezügen zum europäischen Recht
  • Seminar für georgische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zum Thema Architektenhaftung mit Bezügen zum europäischen Recht in Tiflis
  • Herausgabe Deutsch-Georgische Zeitschrift für Rechtsvergleichung (DGZR)

Öffentliches Recht

  • Georgian-German Legal Forum – sharing best practices on Georgia’s path to the European Union in Tiflis
  • Parlamentarierkonferenz in Kooperation mit dem Deutschen Bundestag mit Parlamentsabgeordneten aus der Republik Moldau und Georgien in Berlin
  • Fachgespräch für Richterinnen und Richter des Obersten Gerichts Georgiens zu ausgewählten Fragen des Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrechts mit Bezügen zum europäischen Recht in Tiflis
  • Training für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu ausgewählten Fragen des Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrechts mit Bezügen zum europäischen Recht in Tiflis
  • Podiumsdiskussion zum Thema „Georgiens Weg in die EU – Aktuelle Herausforderungen und Lösungen bei der Gewährleistung einer unabhängigen Justiz“ in Tiflis
  • Training im Europarecht in Kooperation mit der Obersten Justizschule von Georgien in Tiflis
  • Vorlesung im Europarecht in Kooperation mit der Juristischen Fakultät der Staatlichen Universität in Tiflis

Rechtspflege

  • Arbeitsbesuch in Niedersachsen und Berlin mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus der Ukraine, der Republik Moldau und Georgien zum Thema „Unabhängigkeit der Justiz und der Obersten Justizräte“
  • Training für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Antikorruptionsbüros von Georgien zur Erstellung juristischer Gutachten in Tiflis

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Studienreise nach Nordrhein-Westfalen zur Korruptions- und Geldwäschebekämpfung und zur Stärkung der Sonderermittlungsdienste (mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus der Ukraine, der Republik Moldau und Georgien)
  • Auftaktreise des Ministers der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen nach Tiflis zur Kooperation im Bereich Strafvollzug
  • Seminare in Tiflis zum Thema: dynamische Sicherheit im Strafvollzug
  • Herausgabe Deutsch-Georgische Strafrechtszeitschrift (DGStZ)
  • Digitales Deutsch-Georgisches strafrechtliches Glossar

Von der Europäischen Union finanziertes Projekt

EU-Technical-Assistance-Projekt „Advancing Reforms in the Justice Sector in Georgia“

Seit Oktober 2023 wird dieses EU-Projekt mit einem Budget von knapp 3,6 Millionen Euro in einem internationalen Konsortium unter Federführung des belgischen Beratungsunternehmens DAI und der georgischen Firma Egeria Solutions als weiterem Juniorpartner durchgeführt. Während der 36-monatigen Laufzeit unterstützt das Konsortium das Justizministerium, das Ministerium für innere Angelegenheiten sowie die Staatsanwaltschaften und weitere einschlägige Strafverfolgungsbehörden in Georgien beim Fortschritt der Reformen im Justizsektor.

Das Projekt legt einen besonderen Schwerpunkt auf die weitere Stärkung der wichtigsten georgischen Institutionen des Strafrechtssektors mit Blick auf die Umsetzung der EU-bezogenen Verpflichtungen, insbesondere des Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und Georgien.

Das Projekt besteht aus vier Komponenten:

Die erste Komponente zielt auf die Optimierung der behördenübergreifenden Abstimmungsprozesse und -methoden im Bereich der Strafjustiz in Georgien ab. Darüber hinaus sollen auch die Systeme zur Erhebung und Analyse von kriminalitätsbezogenen Daten und die Verfahren zur Entwicklung einer beweisgestützten Vorgehensweise verbessert werden.

Die zweite Komponente befasst sich mit der Stärkung der analytischen und operativen Fähigkeiten der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden sowie der Einführung einer umfassenden erkenntnisgestützten und bürgernahen Polizeiarbeit.

Bei der dritten Komponente stehen der Ausbau und die Förderung von Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Straftaten gegen besonders gefährdete Gruppen und Kinder sowie von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt im Vordergrund.

Die vierte und letzte Komponente unterstützt die Weiterentwicklung der Anwendung von Sanktionen und Maßnahmen ohne Freiheitsentzug, des Verfahrens zur vorzeitigen Entlassung und des Systems der opferorientierten Justiz im Allgemeinen. Dies beinhaltet sowohl die Entwicklung spezifischer Ausbildungsmodule und einschlägiger Instrumente für Praktiker als auch die Unterstützung der zuständigen Behörden bei der Weiterentwicklung und breiteren Anwendung der bestehenden Mechanismen zur Verbrechensverhütung und vorzeitigen Entlassung sowie Einführung neuer alternativer Sanktionen und Maßnahmen in allen Phasen des Strafverfahrens.

Die IRZ ist durch die Entsendung von Kurzzeitexpertinnen und Kurzzeitexperten, vor allem aber durch ihren Langzeitexperten und stellvertretenden Teamleiter mit dem Schwerpunkt „Strafverfolgung und Reformen des Strafverfolgungssystems“ an dem Projekt beteiligt.

Ausblick

Auch 2024 bilden die zwölf Empfehlungen der Europäischen Kommission den Schwerpunkt der Zusammenarbeit mit Georgien mit Blick auf den Status als Beitrittskandidat, den Georgien im Dezember 2023 durch die Entscheidung des Europäischen Rates erhielt. Im Mai 2024 verabschiedete das Parlament von Georgien – trotz wochenlanger Massenproteste – allerdings das „Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“ dann endgültig und ermöglicht damit schärfere Kontrollen der Zivilgesellschaft. Gleichzeitig gefährdet das Vorgehen die weiteren Schritte im Beitrittsprozess zur Europäischen Union.

Insbesondere nach der Verabschiedung des Gesetzes stimmt die IRZ daher die weitere Zusammenarbeit mit Georgien engmaschig mit dem Bundesministerium der Justiz ab.