Georgien - Jahresbericht 2016

Fachgespräche zwischen dem Obersten Gericht Georgiens und dem Oberlandesgericht Bremen in Tiflis: Karen Buse, Präsidentin des Hanseatischen OLG Bremen; Prof. Dr. Nino Gvenetadze (rechts), Präsidentin des Obersten Gerichts von Georgien

Fachgespräche zwischen dem Obersten Gericht Georgiens und dem Oberlandesgericht Bremen in Tiflis: Karen Buse, Präsidentin des Hanseatischen OLG Bremen; Prof. Dr. Nino Gvenetadze (rechts), Präsidentin des Obersten Gerichts von Georgien

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Am 8. Oktober 2016 fanden in Georgien Parlamentswahlen statt, bei der die prowestliche Regierungspartei „Georgischer Traum“ mit 50 Prozent der abgegebenen Stimmen im Amt bestätigt wurde. Die oppositionelle Partei „Vereinte Nationalbewegung“ konnte nur 26 Prozent der Wählerstimmen erreichen und ist zweitstärkste Kraft im georgischen Parlament. Im November konstituierte sich die neue Regierung, die teilweise der bisherigen entspricht. Auch die Justizministerin Tea Tsulukiani wird ihr Amt behalten.

Georgien befindet sich auf einem konstanten Reformkurs und gilt seit einigen Jahren zu Recht als Vorreiter innerhalb der Östlichen Partnerschaft im Hinblick auf demokratische Strukturen, politische Stabilität und Pluralismus. An dieser Reformpolitik will das Land konsequent festhalten.
Im Bereich der Justiz zählen zu den Zielen der Regierung weiterhin die Reformierung des Rechts- und Justizwesens, die Einhaltung europäischer Standards im nationalen Recht und die Stärkung einer unabhängigen Justiz.

Konzeption

Grundlage der IRZ-Tätigkeit in Georgien ist eine Gemeinsame Erklärung des Bundesministeriums der Justiz und des Justizministeriums Georgiens. Hier wurden das Strafrecht sowie die Umsetzung internationaler Übereinkommen in nationales Recht als wichtigste Themenbereiche definiert. Derzeit sind die meisten Aktivitäten dem Strafrecht zuzuordnen. Neben Beratungen zu einzelnen Änderungsvorhaben an den maßgeblichen Gesetzen, zuletzt etwa der Strafprozessordnung, widmet sich die IRZ der Verbesserung der Rechtsprechung in Strafverfahren, der menschenrechtskonformen Ermittlungstätigkeit der georgischen Staatsanwaltschaft und der ordnungsgemäßen Vertretung durch Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger. Hierzu dienen Kooperationen mit der Richterschaft an verschiedenen georgischen Gerichten, die eng mit deutschen Gerichten vernetzt werden sollen. Durch Fortbildungen und Fachtagungen wird in ähnlicher Weise die georgische Anwaltschaft erreicht. Der praxisnahe, fachliche Austausch mit deutschen Kolleginnen und Kollegen hat für die georgische Seite einen sehr hohen Stellenwert.

Nicht zuletzt fördert die IRZ auch den Austausch zwischen der georgischen und deutschen Rechtswissenschaft über die Weiterentwicklung des Strafrechts und die Europäisierung der georgischen Normen.

Tätigkeitsschwerpunkte 2016

Verfassungsrecht / Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Drei Fortbildungsveranstaltungen für georgische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention und zum Europarecht in Tiflis
  • Nationaler Moot Court im Verfassungsrecht für georgische Jurastudierende in Batumi

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zum Thema „Sittenwidriges Geschäft und Wucher – gesetzliche Regelung und Rechtsprechung im Rahmen der Initiative ‚Law - Made in Germany’“ in Kooperation mit der Anwaltskammer Georgiens und der Bundesrechtsanwaltskammer in Tiflis
  • Fachtagung für die georgische Anwaltschaft zu zivilprozessualen Fragen, unter anderem zum beschleunigten Verfahren und zum Datenschutz in Tiflis

Strafrecht und Strafvollzugsrecht

  • Besuch einer Delegation des Obersten Justizrats von Georgien beim Bundesgerichtshof und dem Oberlandesgericht Bremen
  • Fachgespräche zwischen dem Obersten Gericht Georgiens und dem Oberlandesgericht Bremen in Tiflis als Auftakt einer möglichen Gerichtspartnerschaft
  • Fachgespräche zwischen dem Landgericht Hamburg und dem Appellationsgericht Tiflis zu den Themen „Bedeutung und Problematik der indirekten Aussage (Hörensagen) im Strafprozessrecht“ und „Gerichtliche Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Informationen“ im Rahmen der Kooperation beider Gerichte
  • Erarbeitung eines (Formular-) Handbuchs für den Strafprozess für die Richterschaft in Kooperation mit dem Obersten Justizrat Georgiens
  • Studienbesuch von Vertreterinnen und Vertretern der Hauptstaatsanwaltschaft Georgiens in Deutschland unter anderem zu den Themen Jugendstrafjustiz, Aus- und Fortbildung, Kommunikation / Öffentlichkeitsarbeit und Beurteilungswesen
  • Runder Tisch für Vertreterinnen und Vertreter der Richterschaft, Staatsanwaltschaft und Medien zum Thema „Ermittlungen gegen Amtsträger“ in Kooperation mit dem Trainingszentrum des Justizministeriums
  • Wissenschaftliche Konferenz zur Europäisierung des georgischen Wirtschaftsstrafrechts in Kooperation mit der University of Georgia in Tiflis
  • Projekt zur Untersuchung der georgischen Strafjustiz, insbesondere der Entscheidungspraxis von 2005 bis 2016 in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH
  • 13-tägige Fortbildungen für insgesamt 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Strafvollzugs zum Umgang mit Gefangenen (internationale Standards, Hungerstreik, Einsatz von Zwang etc.)
  • Online-Fachpublikation „Deutsch-georgische Strafrechtszeitschrift“ (www.dgstz.de): Veröffentlichung von wissenschaftlichen Beiträgen, Tagungsberichten und Rechtsprechung

Aus- und Fortbildung

  • Teilnahme von zwei georgischen Jurastudierenden an der IRZ-Sommerschule „Deutsches Recht“ in Brühl und Bonn
  • Teilnahme der zwei Gewinnerinnen des Moot Court 2015 an der „Bonn International Model United Nations“ Konferenz in Deutschland

EU-Projekte

Ausblick

Die Projekte werden 2017 überwiegend an die bisherige Tätigkeit anknüpfen. So soll etwa das oben erwähnte Handbuch für die Richterschaft im Strafprozess, das langfristig die Qualität von Strafurteilen der ersten Instanz erhöhen soll, fertiggestellt werden. Nach Möglichkeit sollen die Reformen im Strafvollzug wieder enger begleitet werden. Dieser Bereich befindet sich nach wie vor im Umbruch. Seitens des zuständigen Strafvollzugsministeriums, des zugehörigen Trainingszentrums PPTC sowie der Bewährungshilfeagentur wurde der Wunsch nach weiterer Unterstützung, etwa im Bereich des Frauen- und Jugendvollzugs, geäußert. Dass die Justizministerin ihr Amt über 2016 hinaus ausüben wird, gibt zudem die Gelegenheit, die Kooperation mit dem Ministerium weiter auszubauen.

Laden Sie hier den gesamten Jahresbericht der IRZ im PDF-Format herunter: Jahresbericht 2016.