Online-Erfahrungsaustausch über Struktur und Arbeitsweise der Verfassungsgerichtsbarkeit in Jordanien und Deutschland
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- Veröffentlicht: Dienstag, 29. März 2022

Am 23. März 2022 veranstaltete die IRZ in Kooperation mit dem jordanischen Verfassungsgericht einen Online-Erfahrungsaustausch über Struktur und Arbeitsweise der Verfassungsgerichtsbarkeit in Jordanien und in Deutschland. Die Veranstaltung wurde im Rahmen der institutionellen Förderung durch das Bundesministerium der Justiz (BMJ) durchgeführt.
Die IRZ arbeitet mit dem jordanischen Verfassungsgericht seit dessen Gründung im Jahr 2012 zusammen. Nachdem die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie die Kooperation erschwerten, soll sie in diesem Jahr wieder vollumfänglich aufgenommen werden.
Im Zentrum des Austauschs standen u. a. folgende Themen:
- Die Einrichtung des jordanischen Verfassungsgerichts und seine Rolle beim Schutz der Freiheiten und der Demokratie,
- Aufbau, Organisation und Leitlinien der Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland,
- Verfahren und Wege zur Entscheidungsfindung (u. a. auch die abstrakte und konkrete Normkontrolle und die Individualverfassungsbeschwerde),
- Rolle der Verfassungsgerichtsbarkeit beim Schutz von Menschenrechten in Deutschland.
Eröffnet wurde das Seminar durch Herrn Sidi M. O. Khairy, Projektbereichsleiter für den Nahen Osten. Er begrüßte die Teilnehmenden im Namen der IRZ und begleitete die Diskussion mit Fragen und Anregungen. Auf jordanischer Seite wurde die Veranstaltung durch Vorträge von Herrn Fayez Al-Hamarneh und Dr. Akram Al-Masaedah, Richter am jordanischen Verfassungsgericht mitgestaltet. Für die IRZ nahmen Prof. Dr. Michael Eichberger, Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D. und Prof. Dr. Reinhard Gaier, ebenfalls Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D. an der Veranstaltung teil.
Während des Austauschs wurden die Ähnlichkeiten und Unterschiede der Verfassungsgerichtsbarkeiten beider Länder herausgearbeitet sowie die Konsolidierung des noch jungen jordanischen Verfassungsgerichts und seine Rolle beim Schutz von Menschenrechten und Demokratie erörtert. So legte Richter Dr. Akram Al-Masaedah im Rahmen seines Referats die Entstehung des jordanischen Verfassungsgerichts, seine Struktur, Organisation, Leitlinien und seine Rolle beim Schutz von Freiheitsrechten und der Demokratie dar. Im Rahmen der Diskussion wurde zudem die Frage aufgeworfen, wie die Verfassungsgerichtsbarkeit sich verhalten soll, wenn die getroffenen Entscheidungen nicht durch die staatlichen Stellen umgesetzt werden. Herr Prof. Dr. Reinhard Gaier ging in diesem Zusammenhang auf die Situation in Deutschland ein und sagte, dass die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in der Regel umgesetzt würden und keine weiteren Maßnahmen nötig seien. Wird Beispielsweise eine Norm für nichtig erklärt, steht damit fest, dass diese von Anfang an (ex tunc) rechtsunwirksam war. Für die unmittelbare Verwirklichung einer solchen Entscheidung bedarf es keiner besonderen Maßnahme zur Durchsetzung, vielmehr ist in der Folge lediglich die Anwendung der betroffenen Norm, insbesondere durch die Gerichte zu unterlassen. Außerdem hat das Gericht verschiedene Möglichkeiten auf die Nichtumsetzung eines Regelungsauftrags durch den Gesetzgeber zu reagieren. Die Rechtsgrundlage dafür bildet die Befugnis aus § 35 Bundesverfassungsgerichtsgesetz zur Regelung der Vollstreckung seiner Entscheidungen. Danach kann das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung bestimmen, wer sie vollstreckt und kann auch im Einzelfall die Art und Weise der Vollstreckung regeln.
Die Veranstaltung zeigte, dass das Thema weiterer Diskussionen und einem vertieften Austausch bedarf. Deshalb wird die IRZ auch in den kommenden Monaten ihre langjährige Zusammenarbeit mit der jordanischen Justiz weiterführen und vertiefen.