Am 30. und 31. März 2017 referierte Professor Dr. Jan Bergmann, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, in Pristina vor wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verfassungsgerichts und des Obersten Gerichts der Republik Kosovo zum Thema „The European Human Rights Protection under ECHR and CFREU“.
Das Seminar, das aus Mitteln des Auswärtigen Amtes finanziert werden konnte, hatte zum Ziel, mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern interaktiv die Europäische Dogmatik des Menschenrechtsschutzes zu erörtern und das juristische Arbeiten anhand von ausgesuchten Fällen bzw. Falllösungen zu trainieren.
Professor Bergmann begann das zweitägige Seminar mit einer anschaulichen Darstellung der Theorie der Menschenrechte sowie der einzelnen Menschenrechtskategorien. Im Anschluss daran stellte er Prüfschemata vor, die zur Falllösung bei Verletzung von Freiheits- und Justizgrundrechten und bei Verletzung von Gleichheitsgrundrechten herangezogen werden und zum juristischen Handwerkszeug gehören. Anhand interessanter Beispiele aus der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) trainierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer intensiv das Falllösen.
Am zweiten Seminartag gab es eine kurze Einführung zum Menschenrechtsschutz des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie zum Grundrechtsschutz in der Europäischen Union. Auch der Anwendungsbereich der Grundrechte-Charta (EU-GRCH) wurde thematisiert. Wie schon am Vortag waren auch dieses Mal die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufgerufen, interaktiv das Falllösen basierend auf der aktuellen Rechtsprechung des EuGH zu trainieren. Aus dem Erarbeiten der einzelnen Fälle ergaben sich Diskussionen auf hohem, wissenschaftlichem Niveau.
Mitte Februar 2017 fand im kosovarischen Justizministerium das erste Steering Committee Meeting (SCM) des EU-finanzierten Twinning-Projektes „Strengthening policy formulation and legislative drafting“ statt. Bei dem Treffen wurden die bisherige Zusammenarbeit und die anstehenden Ziele besprochen.
Bei dem SCM waren neben den kosovarischen und den deutschen Projektverantwortlichen auch die der EU sowie Mitarbeiterinnen und Mitarberiter der IRZ und des kosovarischen Justizministeriums anwesend. Bei dem Treffen wurden insbesondere die im November 2016 durchgeführte Auftaktveranstaltung und die bisherigen Einsätze deutscher Experten aus der Justiz in Pristina positiv erwähnt. Daneben wurden auch Möglichkeiten zu einer effektiveren Zusammenarbeit der Projektverantwortlichen mit allen in das Projekt involvierten Institutionen besprochen. Nach Ende eines jeden Projektquartals finden diese Treffen statt. Sie dienen nicht nur zur Sicherung der Erreichung der inhaltlichen Ziele und damit auch der nachhaltigen Projektimplementierung, sondern auch einer besseren Abstimmung der involvierten Parteien.
Das genannte Projekt wird von der IRZ implementiert. Sein Hauptziel ist die Unterstützung des kosovarischen Justizministeriums und dessen nachgeordneten Institutionen bei der Stärkung der Kompetenzen der Politikformulierung und Gesetzgebung. Hierzu gehört unter anderem die Ausfertigung politischer Grundsatzpapiere und Gesetzesentwürfe. Das Twinning-Projekt ist zu diesem Zweck in die folgenden vier Komponenten unterteilt:
Kapazitätsaufbau im Bereich der Politikgestaltung,
Unterstützung bei der Annäherung an die EU und rechtlichen Gestaltung,
Während der Gespräche bei der Landesjustizakademie Berlin-Brandenburg: Besim Morina (links), geschäftsführender Direktor der Justizakademie, und Lavdim Krasniqi, Verwaltungsdirektor des Rates der Staatsanwälte
Vom 13. bis 17. Februar 2017 waren acht wichtige Vertreter der kosovarischen Justiz zu einem Studienbesuch in Berlin und Brandenburg:
Fejzullah Hasani, der Präsident des Obersten Gerichtshofes,
Aleksander Lumezi, Generalstaatsanwalt,
Nehat Idrizi, Vorsitzender des Rates der Richter,
Blerim Isufaj, Vorsitzender des Rates der Staatsanwälte,
Ymer Hoxha, Vorstandsvorsitzender des Justizinstituts,
Vaton Durguti, Präsident des Gerichts von Gjakova,
Lavdim Krasniqi, Verwaltungsdirektor des Rates der Staatsanwälte und
Besim Morina, geschäftsführender Direktor der Justizakademie.
Diese hochrangige Delegation wollte sich mit den Grundzügen der Aus- und Fortbildung im Justizbereich in der Bundesrepublik Deutschland vertraut machen. Organisiert und betreut wurde der Aufenthalt von einem EU-finanzierten Twinning-Projekt, das die IRZ gemeinsam mit ihrem niederländischen Partner, dem Center for International Legal Cooperation (CILC) zurzeit an der kosovarischen Justizakademie durchführt: Further Support of Legal Education Reform.
Zum Auftakt besuchten die kosovarischen Gäste das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Außerdem standen auf dem Porgramm:
ein ausführliches Informationsgespräch zur Gestaltung des Rechtsreferendariats beim Gemeinsamen Justizprüfungsamt der Länder Berlin und Brandenburg,
ein Besuch bei der Landesjustizakademie Berlin-Brandenburg und bei der Deutschen Richterakademie sowie
Informationsgespräche zur Personalentwicklung am Berliner Kammergericht und bei der Berliner Staatsanwaltschaft.
Insgesamt trug der Studienaufenthalt dazu bei, dass die kosovarischen Teilnehmer einen Einblick in einige Besonderheiten der deutschen Justizausbildung erhielten, die in entsprechend angepasster Form auch beim Übergang vom Justizinstitut zur Justizakademie im Kosovo eine Rolle spielen könnten:
die herausgehobene Bedeutung der (Oberlandes-)Gerichte bei der Ausgestaltung des Rechtsreferendariats,
der starke Praxis- und Verfahrensbezug des Referendariats,
die besondere Rolle der Prüfungsorientierung (zweites Staatsexamen) und der Prüfungsämter, aber auch
die Bedeutung der Justizakademien als gemeinsame Lern- und Begegnungsorte, an denen Lehre und Praxis zusammenkommen.
Das Team des Twinning-Projekts an der Kosovo Justizakademie dankt allen, die das Zustandekommen dieses Studienaufenthalts ermöglicht haben, insbesondere dem Präsidenten des Justizprüfungsamtes Berlin-Brandenburg, Martin Groß, der einen sehr großen Anteil daran hatte.