Im letzten Quartal 2020 konzentrierte sich die Zusammenarbeit der IRZ mit dem kosovarischen Justizministerium auf die Themen Bewährungshilfe und Strafvollzug. Dabei standen das Zusammenwirken der zuständigen Behörden im Bereich der Bewährungshilfe, die Erläuterung der Vorteile der Strafaussetzung auf Bewährung sowie spezielle Problemstellungen des Jugendstrafvollzugs im Zentrum. Auch im Rahmen der Online-Formate ist es der IRZ dabei gelungen, die bereits bestehende vertrauensvolle Zusammenarbeit, die ihr besonderes Augenmerk auf den Bereich des Jugendstrafrechts richtet, weiter zu vertiefen.
In Kooperation mit der Abteilung für Bewährungshilfe und den regionalen Bewährungshilfestellen fanden drei Online-Rundtischgespräche mit jeweils unterschiedlichen Teilnehmerkreisen in den Regionen Pristina, Prizren und Mitrovica statt. Die Veranstaltungen ermöglichten einen breit angelegten Austausch und trugen zusätzlich den regionalen Besonderheiten des Kosovo Rechnung. Bei den Rundtischgesprächen ging es u.a. um folgende Themen:
Funktion und Rolle der Bewährungsstrafe
Besonderheiten der Anwendung der Bewährungsstrafe im Jugendstrafrecht
Bewährungsüberwachung in der Praxis: Zusammenarbeit zwischen Richterschaft, Staatsanwaltschaft und Bewährungshilfe
Die IRZ wurde dabei durch folgende Experten aus den relevanten Berufsgruppen vertreten:
Alexander Conrad, Richter am Amtsgericht Oberhausen
Michael Grunwald, Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Berlin
Stefan Thier, Referat Soziale Dienste der Justiz, Freie Straffälligenhilfe und Therapieunterbringung im Ministerium für Justiz, Europa und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein
Diese Expertenzusammensetzung ermöglichte einen umfassenden und detaillierten praxisorientierten Austausch mit den kosovarischen Kolleginnen und Kollegen.
Online-Seminare zum Thema „Jugendliche im Strafvollzug“
Auf ausdrücklichen Wunsch der Abteilung für Strafvollzug im kosovarischen Justizministerium fanden zwei Online-Seminare zu den Schwerpunkten „Umgang mit drogensüchtigen Jugendlichen“ und „Umgang mit psychisch auffälligen Jugendlichen“ statt.
Durch beide Veranstaltungen führte im Auftrag der IRZ ein sehr erfahrenes Expertenteam:
Katja Liebmann, Leiterin der Sozialtherapie der größten deutschen Jugendanstalt in Hameln,
Siegfried Löprick, Vorsitzender des Vorstands der Jugendhilfe Göttingen e.V. mit langjähriger Erfahrung in der Zusammenarbeit mit dem kosovarischen Strafvollzug.
Beide Seminare waren geprägt durch einen offenen Austausch aller Teilnehmenden mit lebhaften und inhaltsreichen Diskussionen.
Während des Seminars mit Brigitte Koppenhöfer (rechts an der Stirnseite), Vorsitzende Richterin am Landgericht Düsseldorf a.D., und Dr. Thomas Matusche (links daneben), Leiter des Amtsgerichts Hann. Münden a.D. und jetziger Präsident des Landesjustizprüfungsamts Niedersachen Kosovo
Am 9. und 10. September 2019 organisierte die IRZ in Kooperation mit der kosovarischen Justizakademie und UNICEF Kosovo ein zweitägiges Seminar in Pristina zum Thema „Schutzmaßnahmen für minderjährige Opfer und Zeugen von Straftaten“. Die Veranstaltung ermöglichte einen Erfahrungsaustausch im Rahmen europäischer Leitlinien und hatte zum Ziel, einen Beitrag zu mehr Kinderfreundlichkeit in der Justiz der Republik Kosovo zu leisten. Von deutscher Seite wirkten am Seminar mit:
Brigitte Koppenhöfer, Vorsitzende Richterin am Landgericht Düsseldorf a.D., und
Dr. Thomas Matusche, Leiter des Amtsgerichts Hann. Münden a.D. und jetziger Präsident des Landesjustizprüfungsamts Niedersachen.
Die Veranstaltung richtete sich an Praktikerinnen und Praktiker aus dem Bereich des kosovarischen Jugendstrafrechts. Am ersten Seminartag nahmen Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte teil. Sie diskutierten folgende Themen:
Definition des Begriffs minderjährige Opfer und Zeugen,
Europäische Leitlinien,
Zeugenzimmer,
Ausschluss der Öffentlichkeit und/oder des/der Angeklagten,
Video-Vernehmung,
Informations- und Beteiligungsrechte sowie
psychosoziale Opferbetreuung.
Am zweiten Seminartag tauschten sich Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe aus. Hier standen folgende Themen im Mittelpunkt:
Funktion der Jugendgerichtshilfe/Bewährungshilfe im Ermittlungsverfahren und gerichtlichen Verfahren von Jugendlichen,
Funktion bei der Vollstreckung,
Berichte über das soziale Umfeld,
Zusammenarbeit zwischen Bewährungshilfe, Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten.
Die Veranstaltung stieß bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf großes Interesse. Es zeigte sich, dass das Thema kindgerechte Justiz weiterhin aktuell und relevant ist. An beiden Seminartagen tauschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Arbeitsgruppen intensiv über die eigenen Erfahrungen mit dem Thema aus und diskutierten verschiedene Verbesserungsvorschläge mit der Expertin und dem Experten der IRZ. Diese zeigten Möglichkeiten für die praktische Weiterentwicklung der Gerichtsbarkeit bei jugendlichen Opfern und Zeugen sowie der Bewährungshilfe auf.
Im lebhaften Austausch und mit vielen neuen Perspektiven auf das Thema erweiterten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihr Fachwissen zu Schutzmaßnahmen für minderjährige Opfer und Zeugen von Straftaten.
In Kooperation mit der kosovarischen Rechtsanwaltskammer und UNICEF Kosovo führte die IRZ am 11. und 12. Juli 2019 ein Seminar zu den Schutzrechten von Jugendlichen bei der anwaltlichen Vertretung in allen Phasen des Gerichtsverfahrens durch. An der Veranstaltung nahmen 25 kosovarische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte teil.
Dr. Toralf Nöding, IRZ-Experte und Rechtsanwalt aus Berlin, führte zu Beginn des Seminars anhand von Fallbeispielen in die deutsche Jugendstrafrechtspraxis ein. Er ging dabei auf allgemeine und spezielle Anforderungen bei der anwaltlichen Vertretung straffälliger Jugendlicher, die Arbeit der am Jugendstrafverfahren beteiligten Institutionen sowie die effektive Beteiligung der Jugendlichen ein. Dr. Nöding beleuchtete außerdem den Erziehungsgedanken mit dem Ziel der Verhaltensänderung in allen Phasen des Strafverfahrens: bei der Verhaftung, der polizeilichen Vernehmung, ggfs. der Untersuchungshaft, während der Gerichtsverhandlung, der Sanktionsverkündung und der möglicherweise folgenden Haft.
In einem weiteren Themenblock standen die Leitlinien des Ministerkomitees des Europarats für kindergerechte Justiz und deren Umsetzung in der EU-Richtlinie 2016/800 im Mittelpunkt. In diese Richtlinie fanden die Grundprinzipien der kinder- und jugendgerechten Justiz wie Kindeswohl und Schutz vor Diskriminierung ebenso Eingang wie die Rechte der Jugendlichen, die von der Beteiligung am Gerichtsverfahren bis zum Recht auf elterlichen Beistand reichen. Dr. Nöding ging in diesem Zusammenhang auch auf mögliche Probleme ein, die im Zuge der Umsetzung der Richtlinie entstehen können.
Der IRZ-Experte erläuterte zudem, wie eine kind- und jugendgerechte Kommunikation in jeder Phase des Verfahrens aussehen sollte. Zum Abschluss gab er den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wertvolle Hinweise für konkrete Situationen aus seiner eigenen anwaltlichen Praxis mit auf den Weg. Das Seminar kam bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gut an. Es wurde lebhaft diskutiert.
Die Veranstaltung wurde als weiterer Beitrag zur langfristigen Annäherung des Kosovo an die EU-Rechtsprechung vom Auswärtigen Amt finanziert.