Aus- und Fortbildungen für die kosovarische Richterschaft und Staatsanwaltschaft im Bereich des Wirtschaftsrechts

Hybrides Seminar zum Thema „Insolvenzrecht – Einblicke in die kosovarische, deutsche und europäische Praxis“ in Kooperation mit der kosovarischen Justizakademie am 8. November 2022.
Hybrides Seminar zum Thema „Insolvenzrecht – Einblicke in die kosovarische, deutsche und europäische Praxis“ in Kooperation mit der kosovarischen Justizakademie am 8. November 2022.
Kosovo

Die IRZ unterstützt die kosovarische Justizakademie bei der Aus- und Fortbildung von Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten. 2022 stand das Wirtschafts(straf)recht im Fokus der Zusammenarbeit, in diesem Kontext wurden verschiedene Seminare realisiert.

Seminar zum Thema „Insolvenzrecht – Einblicke in die kosovarische, deutsche und europäische Praxis“

Am 8. November 2022 fand in diesem Zusammenhang ein hybrides Seminar zum Thema Unternehmensinsolvenzrecht unter Beteiligung von 18 Richterinnen und Richtern in den Räumlichkeiten der Justizakademie statt. Im Zuge der Veranstaltung diskutierten die Referenten und die Teilnehmenden den nationalen und europäischen Rechtsrahmen, praktische Aspekte eines Insolvenzverfahrens, die Rolle des Gerichts, die Interaktion zwischen dem Insolvenzverwalter, dem Unternehmen und seinen Gläubigern sowie Rechte und Pflichten der Gläubiger. In diesem Zusammenhang stellte Mahir Tutulli, Präsident des kosovarischen Handelsgerichts zunächst den kosovarischen Rechtsrahmen vor. Johannes Fritzen, Associate im Frankfurter Büro der Rechtsanwaltskanzlei Dentons und Mitglied der Praxisgruppe „Restrukturierung und Insolvenz“ verschaffte den Teilnehmenden im Anschluss einen Einblick in das deutsche Insolvenzrecht und in wichtige Aspekte internationaler Insolvenzverfahren.

Seminar zum Thema „Geldwäschebekämpfung“

Am 1. und 2. Dezember 2022 veranstaltete die IRZ gemeinsam mit der Justizakademie ein weiteres hybrides Seminar zu Fragen der Geldwäschebekämpfung. An der Veranstaltung nahmen drei Richterinnen und Richter sowie sechs Staatsanwältinnen und Staatsanwälte teil. Von deutscher Seite wirkten im Auftrag der IRZ  Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi, Inhaber der Professur für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Trier und Direktor des Trierer Instituts für Geldwäsche- und Korruptions-Strafrecht, Prof. Dr. Till Zimmermann, Inhaber der Professur für Strafrecht und Strafprozessrecht einschließlich europäischer und internationaler Bezüge an der Universität Trier und Geschäftsführender Direktor des Trier Instituts für Geldwäsche- und Korruptions-Strafrecht sowie Prof. Dr. Kilian Wegner, Juniorprofessor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht, Europa-Universität Viadrina an der Veranstaltung mit.

Zu den wichtigsten Diskussionsthemen zählten:

  • Geldwäsche als Straftat im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität
  • Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten
  • Prozessuale Hemmnisse bei der Verfolgung von Geldwäsche
  • Mögliche Alternativen zur tradierten Geldwäsche
  • Verhältnis zwischen Vortat und Geldwäsche
  • Rolle der Financial Intelligence Unit (FIU) bei der Geldwäschebekämpfung
  • Strafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten im Bereich der Geldwäsche
  • Fragen der Rechtshilfe und der internationalen Zusammenarbeit bei Geldwäscheermittlungen.

Behar Xhema, stellvertretender Direktor der kosovarischen Financial Intelligence Unit und Valon Kurtaj, Richter am Gericht erster Instanz in Pristina stellten zu den verschiedenen Programmpunkten zunächst die nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen sowie zahlreiche Beispiele aus der kosovarischen Praxis vor. Am Anschluss identifizierten das Referententeam und die Teilnehmenden gemeinsam die Gemeinsamkeiten, Unterschiede, aktuelle Herausforderungen und internationale Best Practices.

Das Auswärtige Amt finanzierte beide Veranstaltungen, sie fanden im Rahmen des Projekts „Unterstützung mehrerer Staaten des Westbalkans bei der Konsolidierung rechtsstaatlicher und europäischer Standards“ statt.

Die in Kooperation mit der kosovarischen Justizakademie ausgerichteten Seminare haben die Vermittlung und Vertiefung von fachbezogenen Kenntnissen und Kompetenzen unter den Teilnehmenden zum Ziel. Außerdem soll sich die juristische Aus- und Weiterbildung in Kosovo hinsichtlich der Gestaltung von Lehrplänen, der Kapazitäten und Qualität der Lehrmethoden, Lehrinhalte und Lehrkräfte zunehmend an europäischen Standards orientieren.

Die Zusammenarbeit mit der kosovarischen Justizakademie zu Fragen der juristischen Fort- und Ausbildung wird daher auch 2023 im Fokus der Projektarbeit in Kosovo stehen.

Kosovarische Justizministerin in Berlin empfangen

Mitte: Albulena HAXHIU -Kosovarische Justizministerin; Links von der Ministerin: Alriza BESHI-Präsident der Kosovarischen Notarkammer; Rechts von der Ministerin: Richard Bock Notar a.D. und Generalbevollmächtigter der BNotK für internationale Angelegenheiten
Mitte: Albulena HAXHIU -Kosovarische Justizministerin; Links von der Ministerin: Alriza BESHI-Präsident der Kosovarischen Notarkammer; Rechts von der Ministerin: Richard Bock Notar a.D. und Generalbevollmächtigter der BNotK für internationale Angelegenheiten
Kosovo

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann empfing die Justizministerin des Kosovo Albulena Haxhiu und ihre Delegation am 16. Juni 2022 in Berlin. Die laufende Justizreform in der Republik Kosovo war Gegenstand des offiziellen Besuchs.

Diese und weitere Reformthemen sind bereits Gegenstand der Beratungen, die die IRZ im Rahmen des EU-Projekts „EUKOJUST“ leistet. Deshalb wirkte – in Vertretung der Hauptgeschäftsführung der IRZ – Teresa Thalhammer, Projektbereichsleiterin der IRZ an dem Treffen mit.

Ministerin Haxhiu und Minister Buschmann hoben das große Interesse an einer stärkeren Zusammenarbeit ihrer beiden Häuser in zivilrechtlichen und strafrechtlichen Angelegenheiten hervor und tauschten sich über aktuelle Herausforderungen etwa im Bereich der Digitalisierung aus, die in beiden Ländern von ähnlichen Fragestellungen begleitet wird.

Justizsektorreform in Kosovo

Im Rahmen dieses Treffens berichtete die Ministerin auch über die wichtigsten Ziele der Justizsektorreform in Kosovo. Dabei betonte sie die hohen Erwartungen der kosovarischen Bevölkerung an ihre Regierung, greifbare Erfolge zu erzielen, um Vertrauen in eine funktionierende und integre Justiz aufzubauen.

Langjährige Kooperation mit der Bundesnotarkammer

Dem Besuch im Ministerium war ein Arbeitstreffen zu Reformen im Notarwesen auf Einladung der Bundesnotarkammer (BNotK) vorausgegangen.

Zwischen dieser und der kosovarischen Notarkammer besteht eine langjährige Kooperation, in deren Rahmen die Bundesnotarkammer kürzlich das kosovarische Notargesetz begutachtet und einige Reformvorschläge ausgearbeitet hatte.

An dem Treffen nahmen daher neben der Ministerin und den Vertreterinnen des Ministeriums auch der Präsident der kosovarischen Kammer, Aliriza Beshi, sein Vize-Präsident und ein weiterer Kammervertreter teil. Es fand ein konstruktiver fachlicher Austausch zwischen den beiden Kammern statt, in dem Justizrat Richard Bock, Notar a.D. und Generalbevollmächtigter der BNotK für internationale Angelegenheiten sowie zwei weitere Vertreter der BNotK die Reformvorschläge erläuterten.

Ministerin Haxhiu informierte über die geplante Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung eines Reformentwurfs und es wurde vereinbart, dass die BNotK in die Beratung der Arbeitsgruppe eingebunden wird.

Zweitägiger Fachaustausch mit den Verfassungsgerichten und den Obersten Gerichten

Kosovo, Albanien

Die IRZ veranstaltete die Fachtagung „Das Zusammenspiel der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Verfassungsgerichtsbarkeit zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit – Erfahrungen aus Kosovo, Albanien und Deutschland“ am 17. und 18. Mai 2022 in Kosovo.

Über 80 Richterinnen und Richter sowie wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beider Verfassungsgerichte und Obersten Gerichte der Republiken Kosovo und Albanien tauschten im Laufe der zweitägigen Konferenz ihre Erfahrungen im Hinblick auf die Kompetenzverteilung zwischen der Verfassungsgerichtsbarkeit und der ordentlichen Gerichtsbarkeit aus. Von deutscher Seite wirkte im Auftrag der IRZ Prof. Dr. Reinhard Gaier, Richter am Bundesverfassungsgericht a.D., maßgeblich an der Veranstaltung mit.

Die vier Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten betonten bereits in ihren Grußworten die Bedeutung eines gerichtsübergreifenden und regionalen Erfahrungsaustausches und erinnerten an die Entwicklung des Verhältnisses beider Gerichtsbarkeiten.

Das erste Panel der Konferenz widmete sich der Zuständigkeit der Verfassungsgerichte und der Rolle der ordentlichen Gerichte bei der verfassungskonformen Auslegung von Gesetzen. In seinem Impulsvortrag stellte Prof. Dr. Gaier das Verfahren der konkreten Normenkontrolle dar und differenzierte zwischen Prüfungskompetenz eines jeden Gerichts und dem Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts. Die vier Teilnehmenden aus den vier vertretenen Gerichten diskutierten im Anschluss die praktische Umsetzung des konkreten Normenkontrollverfahrens in Kosovo und Albanien und tauschten sich über aktuelle Entwicklungen und Probleme aus.

Das zweite Panel behandelte das Thema der offensichtlich fehlerhaften Rechtsanwendung und Rechtsauslegung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit und bot die Möglichkeit einer umfassenden Betrachtung aus der Sicht der beiden Verfassungsgerichte und Obersten Gerichte. Dabei wurde die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowie die von Prof. Dr. Gaier vorgestellte deutsche Praxis mit einbezogen und diskutiert. In diesem Zusammenhang betonte Prof. Dr. Gaier, dass das deutsche Bundesverfassungsgericht ausschließlich Verfassungsrecht prüfe und seine Kontrolle von Entscheidungen ordentlicher Gerichte ausdrücklich nur auf Verfassungsverstöße beschränke.

Der erste Veranstaltungstag endete mit lebhaften Diskussionen unter den Teilnehmenden und einer Zusammenfassung der Ergebnisse durch Prof. Dr. Gaier.

Am Folgetag wurde im Rahmen eines dritten Panels die Frage der Konsolidierung der nationalen Rechtsprechung und der Rechtssicherheit als wesentlicher Bestandteil eines fairen Verfahrens thematisiert. Während die albanischen und kosovarischen Referenten und Referentinnen hierfür vor allem die Rechtsprechung des EGMR heranzogen, beleuchtete Prof. Dr. Gaier diese Frage – gemäß der deutschen Praxis – unter dem verfassungsgerichtlichen Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit.

Das vierte und letzte Panel befasste sich mit der Rolle der ordentlichen Gerichte bei der vollständigen Umsetzung der Urteile des Verfassungsgerichts zur Entschädigung für Menschenrechtsverletzungen. In diesem Zusammenhang wurde insbesondere der Rechtsschutz wegen überlanger Verfahren und dessen Auswirkung auf die ordentliche Gerichtsbarkeit besprochen.

Die Veranstaltung stieß bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf großes Interesse. Die Impulsvorträge von Prof. Dr. Gaier und die anschließenden Präsentationen der kosovarischen und albanischen Teilnehmenden boten Grundlage für einen intensiven Austausch über Erfahrungen sowie aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen in Kosovo und Albanien. Auch mögliche Lösungsansätze aus den jeweiligen Rechtsordnungen haben die Teilnehmenden diskutiert.

Die Veranstaltung finanzierte das Bundesministerium der Justiz im Rahmen der institutionellen Zusammenarbeit.

Die Kooperation mit den Verfassungsgerichten und den Obersten Gerichten beider Länder soll in Zukunft weitergeführt und intensiviert werden.