In Kosovo werden noch immer überproportional viele Strafen ohne Aussetzung zur Bewährung verhängt. Gemäß der „Strategy on Rule of Law 2021–2026“ der kosovarischen Regierung und des kosovarischen Justizministeriums werden alternative Strafmaßnahmen im Durchschnitt nur in etwa 3 % der Fälle verhängt und dies meist nur an minderjährige Straftäterinnen und Straftäter.
Vor diesem Hintergrund veranstaltete die IRZ vom 25. bis 26. Oktober 2022 einen hybriden Fachaustausch in Kooperation mit der Bewährungshilfe Kosovo und der kosovarischen Justizakademie zum Thema „Jugendstrafrecht: (Alternative-) Strafen und Maßnahmen für Minderjährige“.
An der Veranstaltung nahmen sechs Richterinnen und Richter, fünf Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie neun Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer teil.
Zu den wichtigsten Diskussionsthemen zählten:
Verhängung von Diversionsmaßnahmen und Erziehungsmaßregeln
Maßnahmen und Strafen bei Jugendlichen mit psychischen Problemen
Verhängung von Zuchtmitteln und Jugendstrafen
Besonderheiten des Jugendstrafverfahrens
Funktion der Jugendgerichtshilfe / Bewährungshilfe im Ermittlungs- und Gerichtsverfahren von Jugendlichen sowie bei der Vollstreckung
Zusammenarbeit zwischen Bewährungshilfe, Richterschaft und Staatsanwaltschaft
Im Laufe der zweitägigen Veranstaltung ermöglichten Nesrin Lushta, Richterin am Obersten Gerichtshof der Republik Kosovo und Shpetim Peci, Staatsanwalt (Staatsanwaltschaft Mitrovica) eine umfassende Darstellung des kosovarischen Rechtsrahmens und der aktuellen Praxis im Bereich des Jugendstrafrechts. Von deutscher Seite brachten Michael Grunwald, Oberstaatsanwalt (Staatsanwaltschaft Berlin) und Brigitte Koppenhöfer, Vorsitzende Richterin am Landgericht Düsseldorf a.D. den Teilnehmenden den deutschen Rechtsrahmen und bewährte Herangehensweisen näher. Im Vordergrund des Austauschs lag dabei jeweils die sektorübergreifende Zusammenarbeit zwischen Richterschaft, Staatsanwaltschaft und Bewährungshilfe im Bereich des Jugendstrafrechts.
Das Ziel des Seminars war die Stärkung der Netzwerkbildung zwischen der kosovarischen Bewährungshilfe, Richterschaft und Staatsanwaltschaft sowie die Konsolidierung des gemeinsamen Bestrebens häufiger Bewährungsstrafen zu verhängen. Dabei sollte eine dafür unabdingbare offene Kommunikation in der täglichen Praxis mithilfe deutscher Erfahrungen und Expertise gefördert und für eine Kooperation der eingebundenen Institutionen auf Augenhöhe geworben werden. Dies soll langfristig auch die Bereitschaft zur Verhängung von Bewährungsstrafen und weiterer alternativer Strafen beitragen.
Die Veranstaltung ist Teil des Projekts „Unterstützung mehrerer Staaten des Westbalkans bei der Konsolidierung rechtsstaatlicher und europäischer Standards“ und wurde vom Auswärtigem Amt finanziert. Die Kooperation mit der kosovarischen Bewährungshilfe unter Einbeziehung weiter Berufsgruppen aus der Justiz soll auch in 2023 in Form von Rundtischgesprächen weiter ausgebaut werden.
Am 19. und 20. Dezember 2022 diskutierten Pressesprecherinnen und Pressesprecher des Kosovo Prosecutorial Councils (KPC) und verschiedene kosovarische Staatsanwaltschaften sowie Gerichte aktuelle Fragen der internen und externen Kommunikation von Justizbehörden. Der Austausch war das Ergebnis eines Austauschs im Rahmen der Kooperation zwischen der IRZ und dem KPC und knüpfte an die langjährige Zusammenarbeit beider Institutionen im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Justizsektor an.
Die Veranstaltung bot den 19 Teilnehmenden die Möglichkeit sich zu verschiedenen Aspekten der internen und externen Kommunikation auszutauschen, aktuelle Herausforderungen aufzuzeigen und dabei Impulse und Handlungsempfehlungen für den Praxisalltag zu identifizieren. Neben allgemeinen Grundlagen einer guten Kommunikation thematisierten die Referierenden die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht, Datenschutzregelungen im Strafverfahren, die Möglichkeiten der Litigation PR und die Nutzung von sozialen Medien durch öffentliche Institutionen.
Frau Brigitte Koppenhöfer, Vorsitzende Richterin am Landgericht Düsseldorf a.D. und Frau Katrin Latki-Baier, PR- und Kommunikationsberaterin stellten in diesem Zusammenhang den deutschen und teils europäischen Rechtsrahmen, vorhandene Richtlinien sowie Erfahrungen und Beispiele aus der Praxis vor.
Im Laufe der zweitägigen Veranstaltung entstand zwischen dem Expertenteam und den Teilnehmenden verschiedener Berufsgruppen und Institutionen ein engagierter Erfahrungsaustausch.
Das Auswärtige Amt finanzierte die Veranstaltung, welche Teil des Projekts „Unterstützung mehrerer Staaten des Westbalkans bei der Konsolidierung rechtsstaatlicher und europäischer Standards“ ist.
Die IRZ wird 2023 die Kooperation mit KPC zu Fragen der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit im Justizsektor weiter ausbauen und vertiefen.
Die IRZ unterstützt die kosovarische Justizakademie bei der Aus- und Fortbildung von Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten. 2022 stand das Wirtschafts(straf)recht im Fokus der Zusammenarbeit, in diesem Kontext wurden verschiedene Seminare realisiert.
Seminar zum Thema „Insolvenzrecht – Einblicke in die kosovarische, deutsche und europäische Praxis“
Am 8. November 2022 fand in diesem Zusammenhang ein hybrides Seminar zum Thema Unternehmensinsolvenzrecht unter Beteiligung von 18 Richterinnen und Richtern in den Räumlichkeiten der Justizakademie statt. Im Zuge der Veranstaltung diskutierten die Referenten und die Teilnehmenden den nationalen und europäischen Rechtsrahmen, praktische Aspekte eines Insolvenzverfahrens, die Rolle des Gerichts, die Interaktion zwischen dem Insolvenzverwalter, dem Unternehmen und seinen Gläubigern sowie Rechte und Pflichten der Gläubiger. In diesem Zusammenhang stellte Mahir Tutulli, Präsident des kosovarischen Handelsgerichts zunächst den kosovarischen Rechtsrahmen vor. Johannes Fritzen, Associate im Frankfurter Büro der Rechtsanwaltskanzlei Dentons und Mitglied der Praxisgruppe „Restrukturierung und Insolvenz“ verschaffte den Teilnehmenden im Anschluss einen Einblick in das deutsche Insolvenzrecht und in wichtige Aspekte internationaler Insolvenzverfahren.
Seminar zum Thema „Geldwäschebekämpfung“
Am 1. und 2. Dezember 2022 veranstaltete die IRZ gemeinsam mit der Justizakademie ein weiteres hybrides Seminar zu Fragen der Geldwäschebekämpfung. An der Veranstaltung nahmen drei Richterinnen und Richter sowie sechs Staatsanwältinnen und Staatsanwälte teil. Von deutscher Seite wirkten im Auftrag der IRZ Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi, Inhaber der Professur für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Trier und Direktor des Trierer Instituts für Geldwäsche- und Korruptions-Strafrecht, Prof. Dr. Till Zimmermann, Inhaber der Professur für Strafrecht und Strafprozessrecht einschließlich europäischer und internationaler Bezüge an der Universität Trier und Geschäftsführender Direktor des Trier Instituts für Geldwäsche- und Korruptions-Strafrecht sowie Prof. Dr. Kilian Wegner, Juniorprofessor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht, Europa-Universität Viadrina an der Veranstaltung mit.
Zu den wichtigsten Diskussionsthemen zählten:
Geldwäsche als Straftat im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität
Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten
Prozessuale Hemmnisse bei der Verfolgung von Geldwäsche
Mögliche Alternativen zur tradierten Geldwäsche
Verhältnis zwischen Vortat und Geldwäsche
Rolle der Financial Intelligence Unit (FIU) bei der Geldwäschebekämpfung
Strafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten im Bereich der Geldwäsche
Fragen der Rechtshilfe und der internationalen Zusammenarbeit bei Geldwäscheermittlungen.
Behar Xhema, stellvertretender Direktor der kosovarischen Financial Intelligence Unit und Valon Kurtaj, Richter am Gericht erster Instanz in Pristina stellten zu den verschiedenen Programmpunkten zunächst die nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen sowie zahlreiche Beispiele aus der kosovarischen Praxis vor. Am Anschluss identifizierten das Referententeam und die Teilnehmenden gemeinsam die Gemeinsamkeiten, Unterschiede, aktuelle Herausforderungen und internationale Best Practices.
Das Auswärtige Amt finanzierte beide Veranstaltungen, sie fanden im Rahmen des Projekts „Unterstützung mehrerer Staaten des Westbalkans bei der Konsolidierung rechtsstaatlicher und europäischer Standards“ statt.
Die in Kooperation mit der kosovarischen Justizakademie ausgerichteten Seminare haben die Vermittlung und Vertiefung von fachbezogenen Kenntnissen und Kompetenzen unter den Teilnehmenden zum Ziel. Außerdem soll sich die juristische Aus- und Weiterbildung in Kosovo hinsichtlich der Gestaltung von Lehrplänen, der Kapazitäten und Qualität der Lehrmethoden, Lehrinhalte und Lehrkräfte zunehmend an europäischen Standards orientieren.
Die Zusammenarbeit mit der kosovarischen Justizakademie zu Fragen der juristischen Fort- und Ausbildung wird daher auch 2023 im Fokus der Projektarbeit in Kosovo stehen.