Mazedonien - Jahresbericht 2017

Vortrag über Hans Litten vor der ELSA (European Law Student´s Association) Studentengruppe der Juristischen Fakultät Skopje

Rechtspolitische Ausgangslage

Das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen Mazedonien und der EU ist seit April 2004 in Kraft. Seit Dezember 2005 besitzt das Land den Status eines EU-Beitrittskandidaten. Von 2015 bis Mai 2017 durchlebte das Land seine tiefste politische Krise seit Beginn des Jahrtausends, in deren Verlauf Zehntausende von Abhörprotokollen bekannt wurden. Außerdem kam es zu Massenprotesten. Nach der Wahl Ende 2016 dauerte es bis Juni 2017, bis eine neue, sozialdemokratisch geführte Regierungskoalition die Amtsgeschäfte übernehmen konnte. Mit dem zweiten Bericht einer von dem deutschen Juristen Reinhard Priebe geleiteten EU Senior Experts’ Group liegt seit September 2017 eine detaillierte und äußerst kritische Analyse der Situation im mazedonischen Rechtswesen vor, aus der sich gleichzeitig auch künftig zu bewältigende Aufgaben ergeben.

Konzeption

Die IRZ begann ihre Aktivitäten in Mazedonien im Jahr 2000 im Rahmen des Stabilitätspakts und verstärkte sie erheblich in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts. So finden seit 2007, dem Gründungsjahr der Akademie für Richter und Staatsanwälte, regelmäßig gemeinsame Veranstaltungen statt. Auch in Mazedonien vergrößerte die IRZ die Zielgruppe ihrer Aktivitäten und deren Nachhaltigkeit durch juristische Publikationen in der Landessprache. Partner der IRZ in Mazedonien sind neben der Akademie für Richter und Staatsanwälte u. a. der Regierungsvertreter vor dem EGMR sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Juristischen Fakultät in Skopje. In Mazedonien kommt es besonders darauf an, die Qualität der Rechtsanwendung zu verbessern und eine einheitliche Orientierung am kontinentaleuropäischen Recht zu begleiten, wie sie auch der mazedonischen Tradition entsprechen würde.

Tätigkeitsschwerpunkte 2017

Verfassungsgericht/Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Beteiligung eines Richters des mazedonischen Verfassungsgerichts an der in Zusammenarbeit mit dem montenegrinischen Verfassungsgericht veranstalteten Konferenz zum Thema „Gleichbehandlungsgrundsatz in der verfassungsgerichtlichen Praxis“ in Budva, Montenegro
  • Beteiligung eines Richters des mazedonischen Verfassungsgerichts an der in Zusammenarbeit mit dem serbischen Verfassungsgericht veranstalteten Konferenz zum Thema „Verfassungsgerichtlicher Schutz im Strafrecht“ in Zlatibor, Serbien
  • Beteiligung einer Richterin und eines Richters des mazedonischen Verfassungsgerichts an der regionalen Verfassungsgerichtskonferenz zum Thema „Theorie und Praxis der Unabhängigkeit von Verfassungsgerichten“ in Jahorina, Bosnien und Herzegowina
  • Vierter und fünfter Newsletter „Aktuelle Information zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mit Bezug zu Mazedonien“ auf Mazedonisch und Albanisch

Rechtspflege

  • Herausgabe der mazedonischen Europarechtszeitschrift „Evropsko pravo“ in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Juristischen Fakultät Skopje
  • Erstellung der Internetseite www.evropsko-pravo.info, auf der die „Evropsko pravo“ sowie andere von der IRZ mitherausgegebene Publikationen auf Mazedonisch und in anderen Sprachen der Region zum Download angeboten werden
  • Beteiligung eines mazedonischen Rechtswissenschaftlers an dem in Zusammenarbeit mit dem Institut für Ostrecht München in München, Nürnberg und Regensburg durchgeführten regionalen Workshop „Methoden der Vergangenheitsbewältigung“
  • Distribution von Fachpublikationen in verwandten Sprachen aus der Projektarbeit der IRZ an ausgewählte Projektpartner
  • Beteiligung eines mazedonischen Wissenschaftlers an dem gemeinsam mit der Südosteuropa-Gesellschaft veranstalteten interdisziplinärem Symposium „Rechtstransformation in Südosteuropa am Beispiel des ehemaligen Jugoslawien: Vorbedingungen, Akteure, (Miss)erfolge“, Berlin

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Publikation des Konferenzbands „Bestimmung des Strafmaßes und die Anwendung alternativer Maßnahmen im mazedonischen Recht“ zusammen mit der Vereinigung für Strafrecht und Kriminologie in Skopje

Aus- und Fortbildung

  • Seminare im Ausbildungsprogramm der Justizakademie in Skopje zu folgenden Themen:
    • Verbraucherschutz durch das novellierte Verbraucherschutzgesetz und andere Vorschriften
    • Gerichtliche Zuständigkeit und anwendbares Recht nach dem neuen IPR-Gesetz
    • Änderungskündigung nach Artikel 78 des Gesetzes über die Arbeitsverhältnisse
  • Teilnahme einer jungen mazedonischen Juristin an der siebten „IRZ-Sommerschule Deutsches Recht“ in Bonn
  • Vorlesung über Leben und Werk des vom NS-Regime verfolgten Rechtsanwalts Hans Litten an der Juristischen Fakultät der Universität Skopje (Gemeinschaftsveranstaltung mit der Skopiter Fakultätsgruppe der European Law Students’ Association, ELSA)
  • Einführungsveranstaltung zum für 2018 geplanten Arbeitsbesuch im Rahmen des Projekts „Förderung des Juristennachwuchses in Mazedonien“ zum Thema „Einführung in das deutsche Recht“
  • Beteiligung mazedonischer Studenten am regionalen Blockseminar „Einführung in das deutsche Recht“ an der Juristischen Fakultät in Zenica, Bosnien und Herzegowina

Ausblick

Die IRZ prüft derzeit in enger Abstimmung mit der Deutschen Botschaft in Skopje, wie sie sich in die von der neuen Regierung geplante Justizreform einbringen kann. Diesbezüglich besteht bereits ein 2017 begonnenes, überjähriges Projekt zur Förderung des mazedonischen Juristennachwuchses, das 2018 fortgesetzt werden wird. Außerdem wird die IRZ die Zusammenarbeit mit der mazedonischen Akademie für Richter und Staatsanwälte sowie ihre juristischen Publikationsreihen weiterführen.