Dr. Lovro Tomašić, Bundesnotarkammer und Metodija Ristoski, Präsident der Notarkammer von Nordmazedonien beantworten Fragen der Medien.
Dr. Lovro Tomašić, Bundesnotarkammer und Metodija Ristoski, Präsident der Notarkammer von Nordmazedonien beantworten Fragen der Medien.

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Nach der Beilegung von bilateralen Streitigkeiten zwischen Nordmazedonien und Griechenland (2018) sowie Bulgarien (2022) eröffnete die Europäische Union im Juli 2022 offiziell die Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien. Seit 2020 ist das Land auch Mitglied der NATO.

Im Juli 2020 fanden trotz der COVID-19-Pandemie Neuwahlen statt, die die seit 2017 amtierende Reformregierung, bestehend aus der sozialdemokratischen Partei SDSM und Parteien der albanischen Minderheit, wenn auch mit Verlusten, bestätigte. Bei den Kommunalwahlen im Herbst 2021 erzielte aber die größte Oppositionspartei die besten Ergebnisse, während die sozialdemokratische Partei viele Kommunen verlor. Als Reaktion auf die Verluste bei den Kommunalwahlen trat der amtierende Ministerpräsident der SDSM zurück, und eine neue Regierung in gleicher parteilicher Zusammensetzung wurde Anfang 2022 bestätigt.

Konzeption

Die seit 2000 im Rahmen des Stabilitätspakts für Südosteuropa bestehenden Aktivitäten der IRZ wurden seither kontinuierlich verstärkt. Partner der IRZ bei den mit Mitteln des Bundesministeriums der Justiz und des Auswärtigen Amts in Nordmazedonien durchgeführten Projekten sind das Justizministerium, das Verfassungsgericht, die Akademie „Pavel Shatev“ für die Richter- und Staatsanwaltschaft, der Regierungsvertreter vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die Nichtregierungsorganisation „Legis“, verschiedene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende der Juristischen Fakultät in Skopje. Auch vor Ort vergrößerte die IRZ in den vergangenen Jahren die Zielgruppe ihrer Aktivitäten und deren Nachhaltigkeit durch juristische Publikationen in der Landessprache. Neben Online-Formaten führte die IRZ im Jahr 2022 auch Veranstaltungen im Hybrid- und Präsenzformat durch.

Die IRZ setzt ihren Schwerpunkt auf die Förderung des juristischen Nachwuchses durch Maßnahmen, bei denen die richterliche Unabhängigkeit und die effektive Prozessleitung im Mittelpunkt stehen, sowie auf Aktivitäten im Bereich des Verfassungsrechts und der Menschenrechte.

Tätigkeitsschwerpunkte 2022

Verfassungsrecht/Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Fortsetzung der Unterstützung des Verfassungsgerichts bei der Vorbereitung zur Einführung einer umfassenden Verfassungsbeschwerde durch Gutachten und Online-Beratungsgespräche
  • Regionalforum zu Teilhaberechten – soziale und ökonomische Rechte von Flüchtenden mit NGOs aus Nordmazedonien, Bosnien und Herzegowina sowie Serbien

Rechtspflege

  • Schulungen im Online- und Präsenzformat mit der Akademie „Pavel Shatev“ für die Richterschaft und Staatsanwaltschaft zu den folgenden Themen:
    • Mediation, deren Förderung sowie die Bedeutung für die Verfahrensbeschleunigung
    • Techniken des Verfassens von Urteilen
    • richterliche und staatsanwaltliche Ethik
    • Vorbereitung und Führung einer mündlichen Verhandlung sowie Förderung von Vergleichen – Schulung unter Einsatz des IRZ-Lehrfilms
  • Interner Workshop und öffentliche Podiumsdiskussion im Hybridformat mit der Bundesnotarkammer und der Notarkammer Nordmazedoniens zur Rolle des Notariats bei der Geldwäscheprävention und Terrorismusbekämpfung

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Gesetzgebungsberatung zur Reform des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung im Bereich der Vermögenskonfiskation

Aus- und Fortbildung

  • Online-Veranstaltung für den deutschsprachigen juristischen Nachwuchs zum Thema juristische Aus- und Weiterbildung in Deutschland, gemeinsam durchgeführt mit der Juristischen Fakultät Skopje

Von der Europäischen Union finanzierte Projekte

EU-Twinning-Projekt „Building of the institutional capacity of the Investigative Centres“

Zwischen Mai 2019 und Februar 2022 leitete die IRZ das EU-Twinning-Projekt zum Aufbau von Ermittlungszentren (Investigative Centres) in den Staatsanwaltschaften in Nordmazedonien. Juniorpartner in dem auf 24 Monate angelegten Projekt mit einem Budget von 1 Million Euro ist das kroatische Justizministerium.

Im Einklang mit aktuellen Reformbestrebungen der Regierung Nordmazedoniens war das Ziel des Projekts, die nationalen Behörden im Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption zu unterstützen und ihre Kompetenzen durch die Einrichtung von gemeinsamen Ermittlungszentren an den Staatsanwaltschaften in Skopje, Kumanovo und Tetovo zu stärken.

Zentrale Komponenten waren dabei die Verbesserung von Organisationsstrukturen und Arbeitsabläufen, die Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Staatsanwaltschaft, Polizei, Zoll und Steuerfahndung sowie die Vernetzung der Behörden. Zudem verfolgte das Projekt erfolgreich die Intensivierung der Zusammenarbeit der Behörden auf nationaler und internationaler Ebene (Rechtshilfe).

Das Expertenteam der IRZ erstellte gemeinsam mit den mazedonischen Partnern Analysen der Lage vor Ort und skizzierte rechtliche Rahmenbedingungen der zu errichtenden Zentren. Kooperationsvereinbarungen wurden mit den beteiligten nationalen Behörden und Ministerien vorbereitet und Beratungen zum personellen Aufbau und zur technischen Ausstattung der Investigative Centres durchgeführt.

Im Rahmen des Projekts wurden zahlreiche Schulungen zu Themen wie Finanzermittlungen, Straftaten im öffentlichen Auftragswesen, Beschlagnahme von Vermögenswerten und Zeugenschutz – pandemiebedingt zum Teil online – durchgeführt. Die Expertinnen und Experten der IRZ sowie die nordmazedonischen Partner zeigten dabei bemerkenswerte Flexibilität und Anpassungsbereitschaft, um diese Veranstaltungen gemeinsam realisieren zu können.

Auch wurden Studienbesuche in Kroatien organisiert, um bewährte Verfahren auszutauschen und die guten internationalen Arbeitsbeziehungen zu festigen, die sich aus der Projektdurchführung ergeben haben.

Der Erfolg des Projekts, das alle gesteckten Ziele und Leistungsindikatoren umfänglich erreicht hat, wurde auf einer Abschlussveranstaltung im Februar 2022 gefeiert. Die gute Zusammenarbeit zwischen der IRZ und den Ermittlungszentren führte auch zu nachhaltigen Arbeitsbeziehungen zwischen den am Projekt beteiligten deutschen Expertinnen und Experten und ihren mazedonischen Kolleginnen und Kollegen.

EU-Twinning-Projekt „Support to the Implementation of the Modernised Data Protection Legal Framework“

Das Twinning-Projekt zum Datenschutz in Nordmazedonien begann im ersten Quartal 2021, wurde gemeinsam mit und unter Federführung der kroatischen Datenschutzbehörde (Agencija za zaštitu osobnih podataka, AZOP) durchgeführt und im Oktober 2022 erfolgreich abgeschlossen. Die Partnerinstitution für das Twinning-Projekt war die Agentur für den Schutz personenbezogener Daten Nordmazedoniens (Personal Data Protection Agency, PDPA).

Das Twinning-Projekt konzentrierte sich auf das Ziel, den Schutz der Grundrechte und das nationale System zum Schutz personenbezogener Daten in der Republik Nordmazedonien gemäß den Standards des Acquis communautaire der Europäischen Union weiterzuentwickeln. Dabei sollte die Leistung der mazedonischen Datenschutzbehörde bei der Umsetzung des modernisierten Datenschutzrahmens durch die Stärkung der institutionellen Kapazitäten und der Leistungsfähigkeit des Personals sowie durch den Ausbau des rechtlichen und regulatorischen Rahmens und durch die Erweiterung des öffentlichen Bewusstseins für den Datenschutz verbessert werden.

Das Projekt bestand aus den folgenden drei Komponenten:

Für Komponente 1 – für die die IRZ federführend war – erarbeiteten die Expertinnen und Experten Leitlinien für die Umsetzung des neuen Datenschutzgesetzes, Standardarbeitsanweisungen für das Personal der PDPA und eine Methodik für die Harmonisierung von sektoralen Regelungen. Deutsche Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundesministerium der Justiz und anderen relevanten Bundesministerien, aus der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und aus den Landesämtern für Datenschutz aus Sachsen, Thüringen und Hamburg trugen zur erfolgreichen Umsetzung dieser Komponente bei.

Für Komponente 2 – für die die IRZ ebenfalls verantwortlich war – wurden Trainingsbedarfe für das Personal der PDPA und für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus relevanten staatlichen Einrichtungen ermittelt, ein modulares Trainings- und Workshop-Konzept, ein Trainingsprogramm sowie -materialien zu verschiedenen Modulen und Themen erarbeitet sowie Trainingskurse und Workshops zu den wichtigen Datenschutzaspekten durchgeführt. Deutsche Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundesministerium der Justiz und anderen relevanten Ministerien, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sowie des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und des Landesbeauftragten für den Datenschutz aus Sachsen, Schleswig-Holstein, Berlin und Hamburg führten die Schulungen und Workshops in 2022 sehr erfolgreich durch.

Die Komponente 3 – für die die AZOP die Federführung hatte – befasste sich mit Öffentlichkeitsarbeit. Die IRZ – mit Unterstützung eines deutschen Experten vom ITZ-Bund – wirkte an der Neukonzipierung und Verbesserung der Website der PDPA mit.

Im Oktober 2022 fand die Abschlusskonferenz des Twinning-Projekts in Skopje statt, auf der die erfolgreiche und nachhaltige Umsetzung der angestrebten Ziele sowohl vom Projektpartner als auch von der Delegation der Europäischen Union nochmals unterstrichen wurde.

Das von der IRZ eingesetzte Expertenteam aus dem Bereich Datenschutz trug zu allen drei Komponenten des Projekts erfolgreich bei.

Ausblick

Die IRZ führt auch 2023 Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für das juristische Personal und für den juristischen Nachwuchs durch und setzt sich damit für eine höhere Qualität der Rechtsanwendung ein. Außerdem soll die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsgericht ausgebaut werden, um die Schaffung eines Verfassungsgerichtsgesetzes und die Einführung einer Verfassungsbeschwerde zu fördern.

Den gesamten Jahresbericht 2022 finden Sie auf unserer Website unter Mediathek – Jahresberichte.