Treffen der Arbeitsgruppe des Justizministerium Nordmazedoniens im Rahmen der StGB-Reform
Treffen der Arbeitsgruppe des Justizministerium Nordmazedoniens im Rahmen der StGB-Reform

Strategische Rahmenbedingungen 

Rechtspolitische Ausgangslage 

Das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen Nordmazedonien und der Europäischen Union ist seit April 2004 in Kraft. Nach der Beilegung des Namensstreits mit Griechenland im Jahr 2018, was zum neuen Staatsnamen Nordmazedonien führte, hoffte das Land auf einen baldigen Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union (Status als EU-Beitrittskandidat seit 2005). Seit März 2020 ist Nordmazedonien Mitglied der NATO. Im Juli 2020 fanden trotz der COVID-19-Pandemie Neuwahlen statt, die die seit 2017 bestehende Reformregierung aus der sozialdemokratischen SDSM und Parteien der albanischen Minderheit, wenn auch mit Verlusten, bestätigten. Bei den Kommunalwahlen im Herbst 2021 erzielte die größte Oppositionspartei die besten Ergebnisse, während die sozialdemokratische Partei, die die Regierungskoalition anführt, viele Kommunen verlor.

Konzeption 

Die IRZ begann ihre Aktivitäten in Nordmazedonien im Jahr 2000 im Rahmen des Stabilitätspakts und verstärkte sie seither kontinuierlich. Partner der IRZ in Nordmazedonien sind das Justizministerium, das Verfassungsgericht, die Akademie „Pavel Shatev“ für die Richter- und Staatsanwaltschaft, der Regierungsvertreter vor dem EGMR, die Nichtregierungsorganisation „Institut für Demokratie“ sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Juristischen Fakultät in Skopje. Auch vor Ort vergrößerte die IRZ in den vergangenen Jahren die Zielgruppe ihrer Aktivitäten und deren Nachhaltigkeit durch juristische Publikationen in der Landessprache. Aufgrund der COVID-19-Pandemie ersetzte die IRZ Präsenzveranstaltungen situationsangepasst durch Online-Formate.

Der im Oktober 2021 erschienene Länderbericht der Europäischen Kommission zeichnete erneut im Allgemeinen eine positive Entwicklung, jedoch mit weiterem Reformbedarf im Justizsystem. Die IRZ setzt ihren Schwerpunkt auf die Förderung des Juristinnen- und Juristennachwuchses durch Maßnahmen, bei denen die richterliche Unabhängigkeit und die effektive Prozessleitung im Mittelpunkt stehen, sowie auf Aktivitäten im Bereich Verfassungsrecht und Menschenrechte.

Tätigkeitsschwerpunkte 2021

Verfassungsrecht/Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Unterstützung des Verfassungsgerichts bei der Vorbereitung zur Einführung einer umfassenden Verfassungsbeschwerde durch Gutachten und

Online-Beratungsgespräche

  • Teilnahme des Verfassungsgerichts von Nordmazedonien an der zusammen mit dem Verfassungsgericht von Serbien ausgerichteten Online-Regionalkonferenz der Verfassungsgerichte zum Thema „Schutz des Rechts auf Familienleben”
  • Online-Regionalforum zu internationalen, europäischen und nationalen Rechtsstandards für flüchtende Personen mit Nichtregierungsorganisationen aus Nordmazedonien, Bosnien und Herzegowina sowie Serbien
  • Herausgabe eines Newsletters über die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf Mazedonisch und Albanisch

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Direkte Beratung des Justizministeriums von Nordmazedonien im Bereich der Presse- und Medienfreiheit

Rechtspflege

  • Online-Schulung zu „Mediation – Phasen und Arten“ der Akademie „Pavel Shatev“ für die Richter- und Staatsanwaltschaft

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Beratung des Justizministeriums von Nordmazedonien im Bereich der alternativen Sanktionen und Bewährung
  • Gesetzgebungsberatung zur Reform des Strafgesetzbuchs in folgenden Bereichen:
  • Vermögenskonfiskation
  • Wirtschaftskriminalität
  • Insolvenzstraftaten
  • Klonen und künstliche Elternschaft
  • Istanbul-Konvention
  • Verbreitung unwahrer Informationen
  • Korruption im Gesundheitsbereich
  • Online-Schulung zu „völkerrechtlichen Aspekten der Korruptionsbekämpfung“ der Akademie „Pavel Shatev“ für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte

Aus- und Fortbildung

  • Gezielte Auswahl juristischer Literatur und deren Bereitstellung für ausgewählte, einschlägig tätige Partnerorganisationen in Nordmazedonien mit dem Ziel der Popularisierung des deutschen und europäischen Rechts als Orientierungsrecht bei der Rechtstransformation

Von der Europäischen Union finanzierte Projekte 

EU-Twinning-Projekt „Support to the Implementation of the Modernised Data Protection Legal Framework“

Seit Juni 2021 führt die IRZ das oben genannte Projekt mit einer Laufzeit von 15 Monaten unter Federführung der kroatischen Datenschutzbehörde durch.

Das Oberziel des Twinning-Projekts ist es, den Schutz der Grundrechte und das nationale System zum Schutz personenbezogener Daten in der Republik Nordmazedonien gemäß den Standards des Acquis Communautaire der Europäischen Union weiterzuentwickeln. Die Partnerinstitution ist die Agentur für den Schutz personenbezogener Daten Nordmazedoniens.

Das spezifische Ziel dieses Projekts ist, die Leistung der Datenschutzbehörde bei der Umsetzung des modernisierten Datenschutzrahmens durch die Stärkung der institutionellen und personellen Kapazitäten, des rechtlichen und regulatorischen Rahmens und des öffentlichen Bewusstseins für den Datenschutz zu verbessern.

Eine der ersten Projektaufgaben ist die Entwicklung einer Reihe von Leitfäden für die Umsetzung des neuen Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten in der Republik Nordmazedonien. Um die Agentur für den Schutz personenbezogener Daten in die Lage zu versetzen, dieses Gesetz korrekt umzusetzen, werden die Projektexperten die Standardprozeduren und -arbeitsanweisungen der Agentur verbessern.

In einem zweiten Schritt wird der Schulungsbedarf der Datenschutzbehörde erhoben und analysiert. Auf Grundlage der Ergebnisse werden ein Trainingskonzept und Materialien für Schulungen zu den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung und anderen Themen entwickelt. Anschließend wird ein umfängliches Trainingsprogramm für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Datenschutzbehörde und anderer relevanter Institutionen durchgeführt.

Schließlich werden die Projektexpertinnen und Projektexperten daran arbeiten, das Bewusstsein für die Rechte und Pflichten des neuen Datenschutzrahmens in der Republik Nordmazedonien zu stärken. Dies bezieht sich auf die Entwicklung von Dokumentationen und Toolkits für die Datenschutzbehörde und auf die Bereitstellung praktischer Informationen und nützlicher Werkzeuge für die Bürgerinnen und Bürger des Partnerstaats.

Die Umsetzung der Projektaktivitäten erfolgt seit Juni 2021 und berücksichtigt die durch die Pandemie verursachten operativen Einschränkungen.

EU-Twinning-Projekt „Building of the institutional capacity of the Investigative Centres“

Seit Mai 2019 leitet die IRZ das EU-Twinning-Projekt zum Aufbau von Ermittlungszentren in den Staatsanwaltschaften in Nordmazedonien. Juniorpartner des auf 24 Monate angelegten Projekts mit einem Budget von 1 Million Euro ist das kroatische Justizministerium. Im Einklang mit aktuellen Reformbestrebungen der Regierung Nordmazedoniens verfolgt das Projekt das Ziel, die nationalen Behörden im Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption zu unterstützen und ihre Kompetenzen durch die Einrichtung von gemeinsamen Ermittlungszentren an den Staatsanwaltschaften in Skopje, Kumanovo und Tetovo zu stärken.

Zentrale Komponenten sind dabei:

  • Verbesserung von Organisationsstrukturen und Arbeitsabläufen,
  • Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Staatsanwaltschaft, Polizei, Zoll und Steuerfahndung,
  • Vernetzung der Behörden,
  • Intensivierung der Zusammenarbeit der Behörden auf nationaler und internationaler Ebene.

In den ersten zwölf Monaten konnten Expertinnen und Experten der IRZ gemeinsam mit den nordmazedonischen Partnern erste Analysen der Lage vor Ort vornehmen und rechtliche Rahmenbedingungen der zu errichtenden Zentren ausloten. Kooperationsvereinbarungen wurden mit den beteiligten nationalen Behörden und Ministerien vorbereitet und Beratungen zum personellen Aufbau und zur technischen Ausstattung der Ermittlungszentren durchgeführt. Nach einer pandemiebedingten Unterbrechung wurde die Durchführung des Projekts im Januar 2021 wiederaufgenommen.

Das IRZ-Expertenteam, das das Projekt leitet, bewertete die Lage in Nordmazedonien neu und passte die geplanten Maßnahmen an die aktuellen Bedürfnisse der Projektbegünstigten an, wie beispielsweise die Durchführung von Online-Schulungen und die Erstellung von einem kurzen Leitfaden zu Asset Recovery. Im weiteren Verlauf des Projekts wurden Verfahrensregeln zum Aufbau und zur Funktionsweise der Zentren ausgearbeitet. In der zweiten Jahreshälfte 2021 wurden die Ermittlungskompetenzen der beteiligten Bereiche der Ermittlungszentren durch spezifische Ausbildungsmaßnahmen der EU-Expertinnen und Experten des Projekts ausgebaut.

EU-Twinning-Projekt „Strengthening of the penitentiary system and the probation service“

Zielsetzung dieses im März 2021 abgeschlossenen Twinning-Projekts war die Stärkung des Strafvollzugssystems durch die Verbesserung der Kapazitäten der „Abteilung für die Umsetzung von Strafmaßnahmen im Justizministerium Nordmazedoniens“ und weiterer relevanter Akteure. Zum Programm gehörte auch die Beratung zum Thema „Instandhaltung bestehender bzw. Errichtung neuer Justizvollzugsanstalten“. Zudem wurde ein Bewährungshilfesystem entwickelt und die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Institutionen und Nichtregierungsorganisationen verbessert.

Die IRZ führte das Projekt gemeinsam mit dem niederländischen Juniorpartner „Center for International Legal Cooperation (CILC)“ seit August 2018 in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung für die Umsetzung von Strafmaßnahmen im Justizministerium von Nordmazedonien (DES) durch.

Die Fortbildungsveranstaltungen für Führungskräfte der DES und der Justizvollzugsanstalten wurden entsprechend den im vergangenen Jahr erstellten Trainingsprogrammen durchgeführt, hierzu gehörte auch die Einführung in die Anwendung des Risikoanalysesystems OSRA im Strafvollzug. Im Rahmen der Bewährungshilfe wurden in Seminaren die Voraussetzungen der Verhängung von Bewährungsstrafen und die Erfahrungen in den EU-Partnerstaaten in der Praxis dargestellt. 2021 wurden zusätzliche Schulungen für Bewährungshelfer zu Themen wie verbesserte Behandlungsprogramme für Jugendliche, gemeinnützige Arbeit, kollegiale Zusammenarbeit, Resozialisierung von Straftätern, Sexualstraftäter, Straftäter mit psychischen Problemen, Diskussion von Fallstudien usw. organisiert.

Des Weiteren wurde Material für eine PR-Strategie erstellt, um sowohl der Bevölkerung als auch den Justizmitarbeiterinnen und -mitarbeitern die Möglichkeit alternativer Strafmaßnahmen näherzubringen und das Bewährungshilfesystem als eine wichtige Säule des Strafvollzugssystems zu etablieren.

Das Projekt wurde erfolgreich abgeschlossen, nachdem 1.462 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Strafvollzugsbehörden sowie Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Polizistinnen und Polizisten sowie Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer an verschiedenen Workshops, runden Tischen und anderen vom Projekt organisierten Veranstaltungen zum Kapazitätsaufbau teilgenommen hatten.

Ausblick

Die IRZ hat zum Ziel, ihre Aktivitäten insbesondere im Bereich der Gesetzgebungsberatung auszubauen. Daneben sollen die bewährten Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung für eine höhere Qualität der Rechtsanwendung fortgeführt werden. Außerdem soll die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsgericht ausgebaut werden, um die Schaffung eines Verfassungsgerichtsgesetzes und die Einführung einer Verfassungsbeschwerde zu fördern.