Nordmazedonien - Jahresbericht 2018
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- Veröffentlicht: Montag, 15. Juli 2019
Strategische Rahmenbedingungen
Rechtspolitische Ausgangslage
Das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen Nordmazedonien und der EU ist seit April 2004 in Kraft. Seit Dezember 2005 besitzt das Land den Status eines EU-Beitrittskandidaten. Von 2015 bis Mai 2017 durchlebte das Land seine tiefste politische Krise seit Beginn des Jahrtausends, in deren Verlauf Zehntausende von Abhörprotokollen bekannt wurden. Außerdem kam es zu Massenprotesten. Nach der Wahl Ende 2016 dauerte es bis Juni 2017, bis die neue Regierungskoalition die Amtsgeschäfte übernehmen konnte. Mit dem zweiten Bericht einer von dem deutschen Juristen Reinhard Priebe geleiteten EU Senior Experts’ Group liegt seit September 2017 eine detaillierte und äußerst kritische Analyse der Situation im Rechtswesen von Nordmazedonien vor, aus der sich gleichzeitig auch künftig zu bewältigende Aufgaben ergeben. Nach dem gescheiterten Referendum zur Namensfrage konnte im Parlament eine Mehrheit zum künftigen Staatsnamen „Nordmazedonien“ gesichert werden, so dass die zeitweise bestehende Gefahr vorgezogener Neuwahlen gegenwärtig abgewehrt erscheint.
Konzeption
Die IRZ begann ihre Aktivitäten in Nordmazedonien im Jahr 2000 im Rahmen des Stabilitätspakts und verstärkte sie erheblich in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts, unter anderem mit Unterstützung des Auswärtigen Amts im Rahmen des Projekts „Rechtsstaatsförderung in Südosteuropa“.
Partner der IRZ in Nordmazedonien sind das Justizministerium, die Akademie für Richter und Staatsanwälte, die Regierungsvertreterin vor dem EGMR, die Nichtregierungsorganisation „Institut für Demokratie“ sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Juristischen Fakultät in Skopje. Seit 2007, dem Gründungsjahr der Akademie von Nordmazedonien für Richter und Staatsanwälte, finden regelmäßig gemeinsame Veranstaltungen mit dieser statt. Auch vor Ort vergrößerte die IRZ in den vergangenen Jahren die Zielgruppe ihrer Aktivitäten und deren Nachhaltigkeit durch juristische Publikationen in der Landessprache.
Diese betonen jeweils die europarechtlichen Einflüsse auf das nationale Recht und die Notwendigkeit einer an den traditionellen Grundsätzen des kontinentaleuropäischen Rechts orientierten Rechtsentwicklung. Ihr Ziel ist es zudem, die Qualität der Rechtsanwendung zu erhöhen. Nach dem Regierungswechsel wurden zeitnah die Kontakte zum Justizministerium erneuert, woraus bereits erste Maßnahmen im Bereich der Gesetzgebungsberatung resultierten.
Tätigkeitsschwerpunkte 2018
Verfassungsgericht / Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit
- Fachgespräche am Verfassungsgericht von Nordmazedonien zu den rechtlichen Verfahren und den organisationstechnischen Voraussetzungen zur Einführung einer umfassenden Individualverfassungsbeschwerde im Recht von Nordmazedonien
- Beteiligung eines Richters des Verfassungsgerichts von Nordmazedonien an der in Zusammenarbeit mit dem montenegrinischen Verfassungsgericht veranstalteten Konferenz zum Verhältnis zwischen der Verfassungsgerichtsbarkeit und den Obersten Gerichten in Budva, Montenegro
- Beteiligung des Präsidenten und eines Richters des Verfassungsgerichts von Nordmazedonien an der von der IRZ in Zusammenarbeit mit dem serbischen Verfassungsgericht veranstalteten Konferenz zum Thema „Entscheidungen der Verfassungsgerichte im Bereich der abstrakten Normenkontrolle als Beitrag zur Förderung des Rechtsstaats“ in Belgrad, Serbien
- Beteiligung von Richtern des Verfassungsgerichts von Nordmazedonien an der regionalen Verfassungsgerichtskonferenz zum Thema „Das Steuerrecht in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung“ im Distrikt Brčko, Bosnien und Herzegowina
- Herausgabe des sechsten und siebten Newsletters „Aktuelle Information zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mit Bezug zu (vormals) Mazedonien“ auf Mazedonisch und Albanisch in Zusammenarbeit mit der Regierungsvertreterin vor dem EGMR
- Workshop zum Thema „Einführung der Verfassungsbeschwerde in (vormals) Mazedonien“ mit der Nichtregierungsorganisation „Institut für Demokratie“
Rechtspflege
- Erstellung von Gutachten für das Justizministerium
- zum Entwurf des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren
- zum Entwurf des Ordnungswidrigkeitengesetzes sowie
- zur Frage der Voraussetzungen für die Einführung einer umfassenden Verfassungsbeschwerde in das Recht von Nordmazedonien
- Herausgabe der Europarechtszeitschrift „Evropsko pravo“ in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Juristischen Fakultät in Skopje
- Betrieb und Erweiterung der Internetseite www.evropsko-pravo.info, auf der die „Evropsko pravo“ sowie andere von der IRZ mitherausgegebenen Publikationen auf Mazedonisch und in anderen Sprachen der Region zum Download angeboten werden
- Konferenz anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Reform des EGMR und der Mitgliedschaft Nordmazedoniens im Europarat einschließlich der öffentlichen Vorstellung einer thematischen Sonderausgabe der Rechtszeitschrift „Evropsko pravo“ zu diesen Themen
- Distribution von Fachpublikationen in verwandten Sprachen aus der Projektarbeit der IRZ an ausgewählte Projektpartner
Straf- und Strafvollzugsrecht
- Arbeitsbesuch der Sonderstaatsanwältin von Nordmazedonien zu Fragen der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Korruption hochrangiger Funktionsträger und einiger ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Berlin
Aus- und Fortbildung
- Arbeitsbesuch junger Richterinnen und Staatsanwältinnen zur Justizpraxis in Deutschland im Rahmen des Projekts „Förderung des Juristennachwuchses in Nordmazedonien (vormals Mazedonien)“
- Teilnahme mazedonischer Juristinnen und Juristen am ersten regionalen Workshop „Aktuelles aus dem deutschen Recht und den Rechtssystemen der Region“ im Rahmen der ersten Veranstaltung für deutschsprachige IRZ-Alumni aus den Staaten Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien in Belgrad
- Teilnahme mazedonischer Juristinnen und Juristen an der achten „IRZSommerschule Deutsches Recht“ in Bonn
Straf- und Strafprozessrecht
- Übersetzung des deutschen Strafgesetzbuchs (StGB)
- Herausgabe dieser Übersetzung in Buchform mit einer fachlichen Einführung mazedonischer und deutschen Experten
- Übersetzung der deutschen Strafprozessordnung (StPO)
Von der Europäischen Union finanzierte Projekte
EU-Twinning-Projekt: Strengthening of the penitentiary system and the probation service
Ende August 2018 startete das EU-Twinning-Projekt zur Unterstützung der Reform des Strafvollzugs und der Bewährungshilfe in Nordmazedonien unter der Federführung der IRZ. Juniorpartner in dem 24 Monate laufenden Projekt ist das niederländische Center for International Legal Cooperation (CILC). Als Teil der „Nationalen Strategie für die Entwicklung des Strafvollzugs von Nordmazedonien“ (2015-2019) zielt das Projekt mit einem Gesamtvolumen von 950.000 Euro auf die Unterstützung in zwei Schlüsselbereichen ab:
- Erarbeitung von Vorschlägen zur Stärkung der institutionellen und administrativen Kapazitäten des Strafvollzugssystems mit einem Schwerpunkt auf der Verbesserung des Managements und des Betriebs des Strafvollzugs, um die uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte hinsichtlich der Behandlung der Gefangenen zu gewährleisten;
- Entwicklung eines Bewährungshilfesystems für die Durchführung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen sowie Verbesserung der Zusammenarbeit aller relevanten Organisationen und Institutionen in diesem Bereich.
Die Implementierung des Projekts begann am 31. August 2018 mit der Ankunft des Resident Twinning Advisers (RTA) in Skopje und wurde am 21. November 2018 mit einem Festakt eröffnet. Während der Eröffnungszeremonie wurde der vorläufige Arbeitsplan, der als Grundlage für die künftige Umsetzung des Projekts dient, verabschiedet und unterzeichnet. In den ersten drei Monaten des Projekts konnten überdies bereits erste Maßnahmen zur Entwicklung von Verfahren und Kriterien für die Instandhaltung von Strafvollzugsanstalten durchgeführt werden.
In enger Zusammenarbeit mit der Abteilung für die Umsetzung von Strafmaßnahmen im Justizministerium von Nordmazedonien sollen in den kommenden Monaten die einschlägige Gesetzgebung analysiert, Verbesserungsvorschläge ausgearbeitet sowie nachhaltige Ausbildungsmaßnahmen für die Verbesserung der Management- und Monitoring-Kapazitäten der Justizvollzugsanstalten und Bewährungshilfe entwickelt werden. Zudem sollen noch in einer Vielzahl von Workshops, Seminaren und Studienaufenthalten in Deutschland und den Niederlanden bewährte Praktiken und anerkannte Grundsätze der Bewährungshilfe vermittelt werden.
Ausblick
Die IRZ hat zum Ziel, sich insbesondere im Bereich der Gesetzgebungsberatung in Zukunft noch mehr in die geplante Justizreform einzubringen, um dadurch ihren Beitrag zur Unterstützung der Westbalkan-Strategie der EU zu verstärken. Daneben sollen die bewährten Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung für eine höhere Qualität der Rechtsanwendung fortgeführt werden.