Erfahrungsaustausch zum Thema „Urteils- und Strafvollstreckung“

Während des Erfahrungsaustauschs
Während des Erfahrungsaustauschs
Tunesien

Am 8. April 2021 veranstaltete die IRZ einen Erfahrungsaustausch zum Thema „Urteils- und Strafvollstreckung“ im Hybridformat. Neben Repräsentantinnen und Repräsentanten des tunesischen Justizministeriums waren auch zahlreiche Strafrichterinnen und Strafrichter verschiedener Gerichtsbezirke in Tunesien sowie leitende Beamte aus der Strafvollzugsverwaltung anwesend. Die Veranstaltung fand statt im Rahmen des gemeinsamen Arbeitsprogramms über rechtliche Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und dem tunesischen Justizministerium.

Als IRZ-Experten nahmen Andreas Stüve, Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, und Michael Nehring, Richter am Landgericht Bonn, an dem Erfahrungsaustausch teil.

Für die tunesischen Projektpartner wirkten mit:

  • Imed Derouiche, tunesischer Generalstaatsanwalt und Direktor der Justiz im tunesischen Justizministerium
  • Omar Yahyaoui, Staatsanwalt am erstinstanzlichen Gericht Ben Arous
  • Sonia Dridi, Strafvollstreckungsrichterin am Gericht Manouba
  • Sinan Zbidi, Strafvollstreckungsrichter am Gericht Manouba

Inhaltlich knüpfte die Veranstaltung an den Erfahrungsaustausch zum Thema „Alternative Strafen und Alternativen zur Untersuchungshaft“ vom November 2020 an.
Neben den Grundlagen und Hindernissen bei einer rechtmäßigen Urteilsvollstreckung wurden bei der jetzigen Veranstaltung auch die Rollen von Staatsanwaltschaft und Richterschaft bei den unterschiedlichen Strafvollstreckungsmöglichkeiten thematisiert. In Tunesien wird zurzeit ein Gesetzentwurf zum neuen Strafgesetzbuch beraten. Alternative Strafen sind bereits im Gesetz vorgesehen, werden allerdings nur selten angewandt. Gestärkt werden sollen darüber hinaus die Alternativen zum Haftvollzug, welche bislang nur rudimentär in Form von Geldstrafen vorhanden sind.

Obwohl in Tunesien eine schnellstmögliche Vollstreckung der Urteile angestrebt wird, ist die häufige Abwesenheit der Angeklagten bei der Urteilsverkündung ein großes Problem, da hierdurch die Vollstreckung nicht umgesetzt werden kann. Aufgrund dieser Tatsache identifizierten die Teilnehmenden einen Reformbedarf bei der tunesischen Gesetzgebung. Darüber hinaus soll die Kooperation zwischen Richterschaft, Staatsanwaltschaft, Polizei sowie der Strafvollzugsbehörde bei der Strafvollstreckung verbessert werden. Auf Beschluss des Justizministeriums wurde hierzu bereits eine Koordinationsstelle eingerichtet.

Im Hinblick auf die Strafvollstreckung und die Anwendung alternativer Strafen ist stets auch die Frage der Kapazitätsgrenzen des Strafvollzugs zu beachten. Um die Koordination zwischen Strafjustiz und Strafvollzug zu unterstützen, hat Tunesien deshalb die Institution des Vollzugsrichters geschaffen. Die Vollzugsrichterinnen und Vollzugsrichter sind auch für die Verhängung alternativer Strafen zuständig.

Die lebhafte Diskussion der Teilnehmenden zeigte, dass insbesondere bei der Vollstreckung von Geldstrafen sowie zu Fragen der Ausgestaltung und Überwachung von Bewährungsentscheidungen weiterer Beratungsbedarf in Tunesien besteht. Die IRZ wird daher ihre Zusammenarbeit mit der tunesischen Justiz im Bereich der alternativen Sanktionen fortsetzen und intensivieren.