Vietnam – Jahresbericht 2021

Teilnehmende Mitglieder der Nationalversammlung und verschiedener Ministerien sowie weitere Juristinnen und Juristen beim Workshop und Gesetzgebungsberatung zum Gesetz über die Prävention und Bekämpfung häuslicher Gewalt in Hanoi
Teilnehmende Mitglieder der Nationalversammlung und verschiedener Ministerien sowie weitere Juristinnen und Juristen beim Workshop und Gesetzgebungsberatung zum Gesetz über die Prävention und Bekämpfung häuslicher Gewalt in Hanoi

Strategische Rahmenbedingungen 

Rechtspolitische Ausgangslage 

Alle fünf Jahre beruft die Kommunistische Partei Vietnam (KPV) ihren Parteitag ein, um über langfristige Richtungsentscheidungen und zentrale Personalfragen zu beschließen. So erfuhr die politische Führung der Partei auf dem 13. Parteitag zu Jahresanfang eine Bestätigung: der Generalsekretär Nguyen Phu Trong wurde für eine dritte Amtszeit gewählt, wofür entgegenstehende Regelungen angepasst werden mussten. Die Wahlen zur Nationalversammlung im Mai liefen wie erwartet ab: 97 % der 499 Abgeordneten sind Mitglieder der KPV.

Die zunehmende Bedeutung Vietnams im internationalen Kontext (zum Beispiel Freihandels- und Investitionsschutzabkommen mit der Europäischen Union, globaler Klimaschutz, indopazifische Geopolitik, globale Gesundheit) bleibt nicht ohne Wirkung auf die politischen Verantwortungsträger. Zur Bewältigung der damit einhergehenden Herausforderungen wurde die „Strategie zum Aufbau und zur Vervollkommnung des sozialistischen Rechtsstaats bis 2030 mit Vision 2045“ initiiert, die bis Ende 2022 ausgearbeitet sein soll. Gleichwohl setzt sich die dem Parteitag vorausgehende Verhärtung des rechtlichen Rahmens zu Lasten der Meinungs- und Pressefreiheit fort; politische Kritiker werden verfolgt und sanktioniert.

Die COVID-19-Pandemie konnte 2020 durch strikte Isolierung von Infizierten und mit geschlossenen Grenzen gut kontrolliert werden, was ausdrückliche Unterstützung der Bevölkerung für die Regierung nach sich zog. Im Frühjahr 2021 wurde Vietnam jedoch pandemisch stark getroffen. Das Infektionsgeschehen war sehr uneinheitlich und führte regional zu längeren, teilweise sehr strengen Lockdown-Phasen, innerhalb derer partiell differenzierte Sicherheitsmaßnahmen galten.

Konzeption 

Die IRZ führt ihre Projekte im Rahmen des deutsch-vietnamesischen Rechtsstaatsdialogs durch, den das Bundesministerium der Justiz mit dem vietnamesischen Justizministerium 2009 begründete. Die Zusammenarbeit erstreckt sich auf alle Rechtsgebiete und Justizthemen, wofür die Ministerien jährlich einen Arbeitsplan mit konkreten Aktivitäten vereinbaren.

Die Kooperation erfolgte in diesem Jahr pandemiebedingt überwiegend in reinen Online- oder Hybridformaten, was mit den unterschiedlichen Partnern jeweils sehr gut funktionierte.

Vor dem Hintergrund der rechtspolitischen Reformen ist der Workshop mit der Obersten Volksstaatsanwaltschaft zur Erneuerung der Staatsanwaltschaft hervorzuheben. Darüber hinaus ist die Veranstaltung mit dem Justizministerium zu nennen, in welcher behandelt wurde, wie Gesetzentwürfe so erarbeitet werden, dass sie Korruption vorbeugen, und wie Aspekte des Lobbyismus berücksichtigt werden.

Tätigkeitsschwerpunkte 2021

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Online-Workshop zur Urteilstechnik in Zivilverfahren (Einführung der juristischen Methodik) mit der Justizakademie
  • Online-Workshop zur Urteilstechnik in Zivilverfahren (Vermittlung von richterlichen Kompetenzen und Fähigkeiten) mit der Justizakademie
  • Online-Workshop und Gesetzgebungsberatung zur Prävention und Bekämpfung häuslicher Gewalt mit der Vietnam Lawyer’s Association

Rechtspflege

  • Online-Workshop zur Stärkung der Kompetenzen von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zur „Mediation – Streitbeilegung durch Verhandlung“ zusammen mit der Justizakademie
  • Online-Workshop zur Stärkung der Kompetenzen in Vertragsstreitigkeiten zur vertraglichen und gesetzlichen Entschädigung mit der vietnamesischen Rechtsanwaltskammer in Zusammenarbeit mit der Bundesrechtsanwaltskammer

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Workshop zur Erarbeitung von Gesetzentwürfen unter Berücksichtigung von Korruptionsprävention und Aspekten des Lobbyismus mit dem Justizministerium
  • Workshop zur Reform der Staatsanwaltschaft zusammen mit der Obersten Volksstaatsanwaltschaft

Ausblick

Die IRZ wird 2022 mit ihren verschiedenen langjährigen Kooperationspartnern die prioritären Themen des jährlichen Arbeitsplans aufgreifen. Es wird angestrebt, einen Beitrag zur Novellierung der juristischen Aus- und Weiterbildung zu leisten, innerhalb derer der Justizakademie als bedeuten der Einrichtung eine zentrale Rolle zukommt.

Vietnam – Jahresbericht 2020

Begrüßungsrede von Herrn Truong The Con, stellv. Direktor der Justizakademie (stehend), anlässlich der HybridVeranstaltung zum Jugendstrafrecht
Begrüßungsrede von Herrn Truong The Con, stellv. Direktor der Justizakademie (stehend), anlässlich der HybridVeranstaltung zum Jugendstrafrecht

Strategische Rahmenbedingungen 

Rechtspolitische Ausgangslage 

Wirtschaftlich prosperiert der Einparteienstaat unter der Führung der Kommunistischen Partei trotz pandemiebedingter Beeinträchtigungen weiterhin. Gleich zu Beginn der COVID-19-Pandemie erließ die vietnamesische Regierung zahlreiche Vorsorgemaßnahmen zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung und ein Sozialprogramm für Unternehmen und Privatpersonen. Am stärksten leidet erwartungsgemäß die Dienstleistungsbranche des Landes unter der Pandemie, insbesondere der Tourismus.

Die ökonomischen Beziehungen zur EU wurden durch das Freihandelsabkommen (EVFTA) und das Investitionsschutzabkommen (EUVIPA) intensiviert. Diese Entwicklung zieht sowohl eine Liberalisierung der Rechtsordnung als auch eine Modernisierung der Verwaltung nach sich. Die Meinungs- und Pressefreiheit unterliegt jedoch weiterhin einer strengen Kontrolle, regierungskritische Beiträge im Internet und in weiteren Medien werden zensiert. Ein seit 2019 geltendes Gesetz gegen Internetkriminalität verpflichtet ausländische Online-Plattformen zur Speicherung der Daten einheimischer Nutzerinnen und Nutzer, die auf Anweisung den vietnamesischen Behörden auszuhändigen sind.

Konzeption 

2019 wurde ein neues Dreijahresprogramm des deutsch-vietnamesischen Rechtsstaatsdialogs verabschiedet. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und das vietnamesische Justizministerium stellten dazu ein gemeinsames Arbeitsprogramm für 2020 auf, das im Februar 2020 unterzeichnet wurde. Die IRZ ist als langjährige Akteurin dieses Kooperationsformats an vielen Projekten beteiligt, die jedoch pandemiebedingt in Umfang und Form der gegebenen Situation angepasst werden mussten. Die Mehrzahl der Aktivitäten erfolgte in Kooperation mit dem Justizministerium.

Darüber hinaus realisierte die IRZ Maßnahmen mit der Obersten Volksstaatsanwaltschaft, der Justizakademie, der vietnamesischen Notarvereinigung (Vietnam’s Notary Association – VINOTASS) und mit dem Center for Consulting on Legal and Policy on Health (CCLPHH).

Erfreulicherweise konnte Vietnam die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie so effizient einschränken, dass alle Veranstaltungen in Vietnam im Präsenzformat durchführbar waren. Durch Online-Zuschaltungen von Expertinnen und Experten der IRZ kamen somit zahlreiche sogenannte Hybridveranstaltungen zustande.

Tätigkeitsschwerpunkte 2020 

Verfassungsrecht, Menschenrechte und deren Durchsetzung

  • Online-Konferenz „Umsetzung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte der UN“ mit dem vietnamesischen Justizministerium
  • Gutachten zur rechtlichen Bewertung der Todesstrafe inklusive der Auswirkungen der Todesstrafe auf spezifische Verbrechen im vietnamesischen Strafgesetzbuch

Rechtspflege

  • Online-Workshop und Erfahrungsaustausch „Berufsrechtliche Fragen, Organisationsmodell und Struktur von Notarkammern“ für die vietnamesische Notarvereinigung, in Kooperation mit der Bundesnotarkammer
  • Online-Workshop zum Immobilienrecht, Familien- und Erbrecht für die vietnamesische Notarvereinigung, in Kooperation mit der Bundesnotarkammer

Strafrecht und Strafvollzugsrecht

  • Online-Workshop „Vermögensabschöpfung in Korruptionsfällen“ mit dem Justizministerium
  • Online-Workshop „Ermittlung, Auswertung und Verwendung elektronischer Beweismittel bei High-Tech-Strafsachen“ mit der Obersten Volksstaatsanwaltschaft
  • Online-Workshop „Befragung und Vernehmung von jugendlichen Opfern und Beurteilung der Echtheit der von Jugendlichen eingebrachten Beweise“ für die Justizakademie

Zivil- und Wirtschaftsrecht

  • Online-Workshop zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit innerhalb des Ordnungsrahmens der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL)
  • Online-Workshop und Erfahrungsaustausch „Implementierung des Transgendergesetzes“ für das Center for Consulting on Legal and Policy on Health and HIV/AIDS (CCLPHH)

Ausblick

2021 wird die IRZ an die Zusammenarbeit mit allen langjährigen Partnern – wie der Rechtsanwaltskammer, dem Justizministerium, der Justizakademie, dem Obersten Volksgericht, der Obersten Volksstaatsanwaltschaft, dem Institut für Menschenrechte – anknüpfen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Anwendung reformierter Gesetze im Strafrecht, das Verwaltungsrecht sowie die juristische Aus- und Fortbildung.

Vietnam - Jahresbericht 2019

Konferenz zum verbesserten Schutz der Kinderrechte in Hanoi: Vortrag von Lukas Pieplow (am Rednerpult), Fachanwalt für Strafrecht bei Esche & Partner, Köln
Konferenz zum verbesserten Schutz der Kinderrechte in Hanoi: Vortrag von Lukas Pieplow (am Rednerpult), Fachanwalt für Strafrecht bei Esche & Partner, Köln

Strategische Rahmenbedingungen

Rechtspolitische Ausgangslage

Die politischen Rahmenbedingungen sind weiterhin durch den alleinigen Machtanspruch der Kommunistischen Partei geprägt. Gleichzeitig führt die Verwirklichung einer Marktwirtschaft „sozialistischer Prägung“ zu einem seit Jahren anhaltenden Wirtschaftswachstum, sodass sich Vietnam mittlerweile zu einem „Middle Income“-Staat entwickelt hat und zu den dynamischsten Volkswirtschaften im südostasiatischen Raum zählt. In diesem Zusammenhang sind deutliche Verbesserungen bei wirtschaftlichen und sozialen Rechten erkennbar, welchen wiederum starke Einschränkungen bei Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit gegenüberstehen.

Die Modernisierung der staatlichen Strukturen sowie die Reformierung der Rechtsordnung und der Justiz dauern an. Es gibt eine rege Gesetzgebungstätigkeit und zahlreiche Vorhaben zur Umsetzung internationaler Verträge sowie Maßnahmen, um die personellen und institutionellen Kapazitäten zu stärken. Im Jahr 2020 wird Vietnam den ASEAN-Vorsitz sowie einen Sitz im UN-Sicherheitsrat übernehmen. Folglich ist angesichts der damit einhergehenden internationalen Aufmerksamkeit insgesamt auch mit starken nationalen Reformbemühungen zu rechnen.

Konzeption

Die EU und Vietnam unterhalten intensive Beziehungen, insbesondere das Verhältnis zwischen Vietnam und Deutschland ist sehr eng. Seit 2010 ist die IRZ in Vietnam tätig und realisiert Projekte im deutsch-vietnamesischen Rechtsstaatsdialog, der 2008 durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in Kooperation mit dem vietnamesischen Justizministerium ins Leben gerufen wurde. Im September 2019 wurde ein neues Dreijahresarbeitsprogramm unterzeichnet, welches einen noch stärkeren Fokus auf menschenrechtliche und rechtsstaatliche Themen legt.

Die IRZ unterhält hierbei vielfältige Kooperationen mit dem Justizministerium, der Justizakademie, der Rechtsanwaltskammer, dem Obersten Volksgericht, der Obersten Volksstaatsanwaltschaft, dem Institut für Menschenrechte, der Rechtshochschule und verschiedenen anderen Institutionen.

Die Zusammenarbeit konzentriert sich geografisch auf die beiden Metropolen Hanoi und Ho Chi Minh Stadt, doch werden zunehmend auch Veranstaltungen in weiteren Provinzen angestrebt, um den Adressatenkreis breiter zu streuen.

Insgesamt nimmt die juristische Aus- und Fortbildung eine zentrale Schlüsselfunktion in der Zusammenarbeit ein. Denn das vietnamesische (Berufs-) Bildungssystem wird den steigenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anforderungen weder quantitativ noch qualitativ gerecht, vor allem angesichts der jungen und stark wachsenden Bevölkerung. Insbesondere herrscht ein großer Mangel an praxisorientierten Angeboten, da die Schul-, Berufs- und Universitätsausbildung sehr theorielastig ist. Daher erfährt der internationale Erfahrungsaustausch mit Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwendern aus verschiedenen Bereichen regelmäßig sehr große Wertschätzung.

Den Fokus ihrer Tätigkeit richtet die IRZ auf die Umsetzung menschenrechtlicher Garantien, unter anderem auf die Förderung der Justizgrundrechte im Strafverfahren. Schwerpunkte bilden die Stärkung der Verteidigerrechte nach der neuen Strafprozessordnung und der Schutz von Kinderrechten im Strafjustizsystem.

Die Veranstaltungen der IRZ richten sich insbesondere an die Anwaltschaft und Richterschaft, da beide Berufsgruppen hinsichtlich der praktischen Umsetzung der neuen Vorgaben und der Wahrnehmung ihrer jeweiligen Rolle im Verfahren hohen Beratungsbedarf haben.

Tätigkeitsschwerpunkte 2019

Verfassungsrecht/Menschenrechte und deren Durchsetzbarkeit

  • Zwei rechtsvergleichende Konferenzen mit Mitteln des Auswärtigen Amts und ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) zum verbesserten Schutz der Kinderrechte im Rahmen der UN-Kinderrechtskonvention und zum Aufbau einer Jugendgerichtsbarkeit mit dem Vietnamesischen Institut für Menschenrechte in Ho Chi Minh Stadt und Hanoi
  • Tagungsband (Auflage: 500) zu den Konferenzen für die relevanten Akteure und Studierende

Straf- und Strafvollzugsrecht

  • Zwei Workshops zur praktischen Anwendung der Verteidigerrechte nach der neuen Strafprozessordnung sowie zur Vernehmungs- und Befragungstechnik mit der Vietnamesischen Rechtsanwaltskammer in Hanoi und Nha Trang
  • Studienreise zu praktischen Fragen der Strafverteidigung und zum Thema Fachanwaltschaft für Vertreterinnen und Vertreter der Vietnamesischen Rechtsanwaltskammer nach Berlin
  • Leitfaden für Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger zur Anwendung der neuen Strafprozessordnung mit den Schwerpunkten Vorbereitung der Hauptverhandlung sowie Vernehmungs- und Befragungstechnik
  • Online-Workshop zu Grundzügen des deutschen Jugendstrafrechts im Rahmen eines monatlichen Newsletters vom Obersten Volksgericht an sämtliche Gerichte landesweit, als Video-Download nachträglich abrufbar

Aus- und Fortbildung

  • Zwei Workshops zur juristischen Methodenlehre und zum Gewohnheitsrecht in der Rechtsprechung mit dem Schwerpunkt Zivilrecht mit dem Obersten Volksgericht in Da Lat und in Sa Pa
  • Zwei Workshops für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zu Fragen der anwaltlichen Vertretung bei minderjährigen Täterinnen und Tätern sowie Opfern und bei der Vertretung von Opfern häuslicher Gewalt mit der Justizakademie in Hanoi

Ausblick

2020 wird die IRZ ihre Kooperation mit den bewährten Partnern fortsetzen, indem sie die diesjährigen Tätigkeitsschwerpunkte mit Fokus auf das (Jugend-)Strafverfahren mit dem Ziel vertieft, die Justizgrundrechte weiter zu stärken. Auch die juristische Aus- und Fortbildung wird weiterhin ein elementarer Bestandteil der Tätigkeit sein.