Erfahrungsaustausch des Berufungsgerichts Kyiv und des Oberlandesgerichts Oldenburg

Die Vizepräsidentin des Berufungsgerichts Kyiv, Hanna Kryzhanivska (Mitte), mit Richterkolleginnen und -kollegen während des Online-Fachgespräches am 22.03.2023.
Die Vizepräsidentin des Berufungsgerichts Kyiv, Hanna Kryzhanivska (Mitte), mit Richterkolleginnen und -kollegen während des Online-Fachgespräches am 22.03.2023.
Ukraine

Die von der IRZ initiierte und gepflegte Zusammenarbeit des Oberlandesgerichts Oldenburg mit dem Berufungsgericht Kyiv besteht bereits seit 2016. Durch den regelmäßigen kollegial-fachlichen Austausch zwischen beiden Gerichten wird ein europäisches richterliches Selbstverständnis gefördert.

Ursprünglich für Ende 2022 vorgesehen, musste das Online-Treffen aufgrund kriegsbedingt aufgetretenen Stromausfalles zweimal abgebrochen werden. Am 22. März 2023 fand der Austausch – trotz Luftalarm in Kyiv – schließlich statt. Schwerpunkt des Fachgesprächs war das Thema „E-Justiz“.

Die Teilnehmenden des Online-Fachgesprächs erörterten zuerst die derzeitige Lage und Rechtsprechung der ukrainischen Justiz und des Berufungsgerichts Kyiv unter den aktuellen Kriegsbedingungen. Die Richter des Berufungsgerichts Kyiv Borys Levenets und Yurii Tryasun schilderten in ihrem Vortrag die Arbeitsorganisation des Gerichts in den ersten Monaten des Krieges sowie die aktuellen Besonderheiten des Gerichtsverfahrens unter den Bedingungen des Kriegsrechts.

Ein weiteres Diskussionsthema war die Einführung der elektronischen Akte in der Justiz. Dr. Jana Bruns-Klaes, Richterin am Oberlandesgericht Oldenburg, erörterte folgende Punkte: elektronischer Rechtsverkehr und elektronische Akte, Auswirkungen für die Rechtssuchenden sowie Auswirkungen für die Justiz. Im Anschluss berichtete die stellvertretende Vorsitzende des Berufungsgerichts Kyiv, Hanna Kryzhanivska, über die diesbezüglichen Erfahrungen ihres Gerichts und die spezifischen Herausforderungen der elektronischen Justiz.

Der Erfahrungsaustausch zwischen Richterinnen und Richtern des Berufungsgerichts Kyiv und des Oberlandesgerichts Oldenburg soll auch in Zukunft fortgesetzt werden – sofern es möglich ist, auch wieder in Präsenz, beispielsweise durch einen Arbeitsbesuch in Oldenburg. Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Oldenburg, Anke van Hove, und die IRZ betonten, wie wichtig es sei, den Dialog zwischen den beiden Gerichten gerade jetzt aufrecht zu erhalten und bekräftigten ihre Bereitschaft, diese Zusammenarbeit fortzusetzen.

Multilaterale Fortbildung für das Hohe Antikorruptionsgericht

Ukraine

Für die Richterinnen und Richter des Hohen Antikorruptionsgerichts der Ukraine führte die IRZ gemeinsam mit der Nationalen Richterschule der Ukraine vom 20. bis 23. März 2023 eine Fortbildungsveranstaltung durch, eine weitere wird am 3. April 2023 folgen.

Das Thema Geldwäschebekämpfung stand im Mittelpunkt der – für die Richterschaft der Ukraine gesetzlich vorgeschriebenen – Fortbildung. Walter Selter, Generalstaatsanwalt a.D., erörterte als Experte der IRZ die Definition, Erscheinungsformen, gesetzliche Regelungen und Internationalität der Geldwäsche.

Insgesamt 38 Richterinnen und Richter des Hohen Antikorruptionsgerichts und der Berufungskammer des Hohen Antikorruptionsgerichts nahmen an der Fortbildung teil.

Das Phänomen Korruption untergräbt Rechtsstaatlichkeit sowie marktwirtschaftliche Strukturen und ist somit ein großes Investitionshemmnis. Deshalb steht das Thema Korruptionsbekämpfung auch im Rahmen der Arbeit der IRZ besonders im Fokus, zumal die Empfehlungen der EU-Kommission zum Beitrittskandidatenstatus der Ukraine diese Punkte benennen.

Die IRZ wird die Zusammenarbeit mit der Ukraine auch auf diesem Themengebiet fortsetzen.

Reform des ukrainischen Insolvenzrechts

Prof. Dr. Madaus und Dr. Ɖurić im Insolvenzrechts-Fachgespräch mit dem Stellvertretendem Justizminister der Ukraine, Banchuk, und der Stellvertretenden Justizministerin der Ukraine, Kolomiets.
Ukraine

Die Ukraine setzt ihre rechtsstaatlichen Reformen trotz des gegen sie geführten Kriegs unablässig fort, auch im Bereich des Insolvenzrechts. Das Insolvenzrecht spielt mittel- bis langfristig für die Ukraine hinsichtlich des Wiederaufbaus und der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes eine bedeutende Rolle. Auf Anfrage des Justizministeriums der Ukraine ist die IRZ in die Beratungen zur Insolvenzrechtsreform eingestiegen und organisierte dazu am 9. März 2023 ein erstes Online-Fachgespräch mit dem Justizministerium der Ukraine.

Als Experten wirkten Prof. Dr. Stephan Madaus, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Zivilprozess- und Insolvenzrecht sowie Dr. Ɖuro Ɖurić, Gastwissenschaftler am dortigen Lehrstuhl mit.

Schwerpunkt des Fachgesprächs waren Zweck und Kernpunkte der Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren.

Es wurde die Anwendung dieser EU-Richtlinie in Deutschland besprochen und diskutiert, inwiefern das derzeitige ukrainische Insolvenzrecht mit dieser Richtlinie übereinstimmt und an welchen Stellen Änderungen vorzunehmen sind.

Im Juni 2022 erhielt die Ukraine den EU-Beitrittskandidatenstatus. Seitdem steht die EU-Rechtsharmonisierung noch mehr im Fokus der ukrainischen Reformbestrebungen. Entsprechend hochrangig besetzt nahmen seitens des Justizministeriums der Ukraine der Stellvertretende Justizminister Oleksandr Banchuk und die Stellvertretende Justizministerin Valeria Kolomiets an dem Fachgespräch teil.

Die IRZ wird die Reform des ukrainischen Insolvenzrechts weiterhin beratend begleiten. Geplant sind unter anderem Fachgespräche und die Erstellung von schriftlichen Gutachten.