In der letzten Märzwoche hielt sich eine Delegation der Generalstaatsanwaltschaft und des Justizministeriums der Ukraine zu einem Arbeitsbesuch zum Völkerstrafrecht in Berlin auf. Die Idee zu diesem Arbeitsbesuch geht zurück auf eine Begegnung des Generalstaatsanwalts der Ukraine, Andriy Kostin, mit Generalbundesanwalt Dr. Peter Frank am Rande des G 7-Justizminister-Treffens im Herbst 2022 in Berlin.
Der ukrainischen Bitte, sich zu Ermittlungsmethoden hinsichtlich Völkerstrafrecht und Kriegsverbrechen fachlich auszutauschen, sind die Bundesanwaltschaft und das Bundesministerium der Justiz gerne nachgekommen. So konnten sich auf Einladung der IRZ, die diesen Arbeitsaufenthalt organisatorisch betreute, Vertreterinnen und Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft und des Justizministeriums der Ukraine zu dreitägigen Fachgesprächen im Bundesministerium der Justiz aufhalten und mit ihren Kolleginnen und Kollegen der Bundesanwaltschaft und des Bundeskriminalamtes sowie mit Oberstaatsanwalt Klaus Hoffmann, der derzeit im Rahmen der Atrocity Crimes Advisory Group in der Ukraine tätig ist, relevante Fragen zur Ermittlung von Völkerstraftaten intensiv erörtern.
Die Vizepräsidentin des Berufungsgerichts Kyiv, Hanna Kryzhanivska (Mitte), mit Richterkolleginnen und -kollegen während des Online-Fachgespräches am 22.03.2023. Ukraine
Die von der IRZ initiierte und gepflegte Zusammenarbeit des Oberlandesgerichts Oldenburg mit dem Berufungsgericht Kyiv besteht bereits seit 2016. Durch den regelmäßigen kollegial-fachlichen Austausch zwischen beiden Gerichten wird ein europäisches richterliches Selbstverständnis gefördert.
Ursprünglich für Ende 2022 vorgesehen, musste das Online-Treffen aufgrund kriegsbedingt aufgetretenen Stromausfalles zweimal abgebrochen werden. Am 22. März 2023 fand der Austausch – trotz Luftalarm in Kyiv – schließlich statt. Schwerpunkt des Fachgesprächs war das Thema „E-Justiz“.
Die Teilnehmenden des Online-Fachgesprächs erörterten zuerst die derzeitige Lage und Rechtsprechung der ukrainischen Justiz und des Berufungsgerichts Kyiv unter den aktuellen Kriegsbedingungen. Die Richter des Berufungsgerichts Kyiv Borys Levenets und Yurii Tryasun schilderten in ihrem Vortrag die Arbeitsorganisation des Gerichts in den ersten Monaten des Krieges sowie die aktuellen Besonderheiten des Gerichtsverfahrens unter den Bedingungen des Kriegsrechts.
Ein weiteres Diskussionsthema war die Einführung der elektronischen Akte in der Justiz. Dr. Jana Bruns-Klaes, Richterin am Oberlandesgericht Oldenburg, erörterte folgende Punkte: elektronischer Rechtsverkehr und elektronische Akte, Auswirkungen für die Rechtssuchenden sowie Auswirkungen für die Justiz. Im Anschluss berichtete die stellvertretende Vorsitzende des Berufungsgerichts Kyiv, Hanna Kryzhanivska, über die diesbezüglichen Erfahrungen ihres Gerichts und die spezifischen Herausforderungen der elektronischen Justiz.
Der Erfahrungsaustausch zwischen Richterinnen und Richtern des Berufungsgerichts Kyiv und des Oberlandesgerichts Oldenburg soll auch in Zukunft fortgesetzt werden – sofern es möglich ist, auch wieder in Präsenz, beispielsweise durch einen Arbeitsbesuch in Oldenburg. Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Oldenburg, Anke van Hove, und die IRZ betonten, wie wichtig es sei, den Dialog zwischen den beiden Gerichten gerade jetzt aufrecht zu erhalten und bekräftigten ihre Bereitschaft, diese Zusammenarbeit fortzusetzen.
Für die Richterinnen und Richter des Hohen Antikorruptionsgerichts der Ukraine führte die IRZ gemeinsam mit der Nationalen Richterschule der Ukraine vom 20. bis 23. März 2023 eine Fortbildungsveranstaltung durch, eine weitere wird am 3. April 2023 folgen.
Das Thema Geldwäschebekämpfung stand im Mittelpunkt der – für die Richterschaft der Ukraine gesetzlich vorgeschriebenen – Fortbildung. Walter Selter, Generalstaatsanwalt a.D., erörterte als Experte der IRZ die Definition, Erscheinungsformen, gesetzliche Regelungen und Internationalität der Geldwäsche.
Insgesamt 38 Richterinnen und Richter des Hohen Antikorruptionsgerichts und der Berufungskammer des Hohen Antikorruptionsgerichts nahmen an der Fortbildung teil.
Das Phänomen Korruption untergräbt Rechtsstaatlichkeit sowie marktwirtschaftliche Strukturen und ist somit ein großes Investitionshemmnis. Deshalb steht das Thema Korruptionsbekämpfung auch im Rahmen der Arbeit der IRZ besonders im Fokus, zumal die Empfehlungen der EU-Kommission zum Beitrittskandidatenstatus der Ukraine diese Punkte benennen.
Die IRZ wird die Zusammenarbeit mit der Ukraine auch auf diesem Themengebiet fortsetzen.