Arbeitsbesuch der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine in Berlin

Die Delegation unter der Leitung der stellvertretenden Generalstaatsanwältin, Viktoriia Litvinova mit der Generalstaatsanwältin von Berlin, Margarete Koppers, der Oberstaatsanwältin Petra Leister sowie Staatsanwalt Dr. Bastian Dorenburg.
Die Delegation unter der Leitung der stellvertretenden Generalstaatsanwältin, Viktoriia Litvinova mit der Generalstaatsanwältin von Berlin, Margarete Koppers, der Oberstaatsanwältin Petra Leister sowie Staatsanwalt Dr. Bastian Dorenburg.

Ukraine

Vertreterinnen und Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine sowie der Staatsanwaltschaften verschiedener ukrainischer Regionen besuchten vom 14.-18. Oktober 2024 Berlin, um sich mit der deutschen Justiz über Jugendkriminalität, Jugendgerichtsbarkeit sowie über das Thema „Jugendliche als Opfer von Straftaten“ auszutauschen.

Die Jugendkriminalität ist in der Ukraine seit Ausbruch des Angriffskriegs von Russland im Februar 2022 merklich angestiegen, wobei das ukrainische Strafrecht derzeit nicht zwischen straffälligen Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen unterscheidet. Auch werden Kinder und Jugendliche immer öfter selbst Opfer von Gewalttaten.

Die zehnköpfige Delegation führte im Bundesministerium der Justiz Fachgespräche zu dem Thema „Jugendkriminalität und Jugendstrafsachen“, behandelte aber auch die rechtlichen Grundlagen von außergerichtlichen Einigungen, wie Täter-Opfer-Ausgleich, und tauschte sich anschließend mit der Staatsanwaltschaft Berlin über ihre Rolle im Jugendstrafverfahren aus. Es fand auch ein reger vergleichender Austausch zu den rechtlichen Grundlagen beider Länder und zum Umgang mit Kindern und Jugendlichen im Strafverfahren statt.

Ein Fachgespräch mit einer Jugendrichterin und einer Strafverteidigerin zeigten die Handlungsspielräume der beiden unterschiedlichen Rollen im Strafverfahren auf, ergänzt um das Prinzip der Jugendgerichtshilfe, die Aufgaben sowie die Verantwortlichkeiten gegenüber den Jugendlichen.

Zwei Kriminalhauptkommissarinnen vom Landekriminalamt Berlin erläuterten in einem weiteren Gespräch die verschiedenen Strategien zur Prävention von Kinder- und Jugendkriminalität in der deutschen Hauptstadt. Abschließend wurden der Delegation in der Charité die Kinderschutz- und Trauma-Ambulanzen in Berlin sowie das Childhood-Haus in der Charité vorgestellt. Hier werden von Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche nicht nur aufgefangen, sondern auch in sicheren Räumlichkeiten untergebracht. Dadurch müssen sie nicht zwangsläufig vor Gericht erscheinen, was eine kindgerechte Justiz fördert.

Der Arbeitsbesuch war eine vorbereitende Online-Veranstaltung im August 2024 vorausgegangen, bei der ein IRZ-Schulungsfilm beispielhaft eine Jugendstrafverhandlung zum Raub einer Weste zeigte.

Die Delegation konnte viele Impulse aus der deutschen Jugendgerichtsbarkeit mitnehmen. Eine Fortführung der Kooperation plant die IRZ für das kommende Jahr 2025.


Sommerschule „Einführung in das deutsche Recht und das EU-Recht“ in Bonn, Straßburg und Brüssel

Besuch beim Rat der Europäischen Union in Brüssel.
Besuch beim Rat der Europäischen Union in Brüssel.

Ukraine

Die IRZ richtete vom 8. bis 18. Juli 2024 die Sommerschule „Einführung in das deutsche Recht und das EU-Recht“ aus, die ukrainischen Studierenden aus fünf Universitäten die Gelegenheit bot, tiefgehende Einblicke in das deutsche und europäische Rechtssystem zu erhalten. Die Teilnehmenden kamen von der Taras-Schewtschenko-Universität Kyjiw, der Mohyla-Akademie Kyjiw, der Ivan-Franko-Universität Lviv, der Yaroslav-Mudryj-Universität Charkiw und der I.I. Mechnikov-Universität Odessa.

Das erste Modul der Sommerschule fand in Bonn statt, wo die Studierenden intensiv in das deutsche Rechtssystem eingeführt wurden. In einer Reihe von Vorlesungen lernten sie die Grundzüge des deutschen Staats- und Verfassungsrechts, des Zivil- und Zivilprozessrechts, des Straf- und Strafprozessrechts sowie des Verwaltungs-, Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts kennen. Neben den Vorlesungen hatten sie die Möglichkeit, praktische Erfahrungen zu sammeln, indem sie Zivil- und Strafsitzungen am Landgericht Bonn besuchten. Außerdem erkundeten sie die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Bonn und erhielten somit einen umfassenden Einblick in die akademische Rechtswelt.

Zur Vorbereitung auf das zweite Modul der Sommerschule erhielten die Teilnehmenden eine umfassende Einführung in das Recht der Europäischen Union (EU) sowie eine detaillierte Analyse der Auswirkungen des Unionsrechts auf das nationale deutsche Recht. Zusätzlich wurde der Menschenrechtsschutz im Rahmen des Europarates mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Europäischen Menschenrechtskonvention behandelt.

Das zweite Modul der Sommerschule führte die Teilnehmenden nach Straßburg und Brüssel, wo sie ihr Verständnis der europäischen Institutionen und deren Arbeitsweise vertieften. In Straßburg erhielten sie eine Einführung in die Arbeit des Europarates und besichtigten den Plenarsaal der Parlamentarischen Versammlung. Zudem wurde das Programm HELP (Human Rights Education for Legal Professionals) vorgestellt, das speziell auf die Ukraine ausgerichtet ist.

Der Höhepunkt der Sommerschule war der Besuch der Plenarsitzung des neugewählten EU-Parlaments in Straßburg. Die Studierenden hatten die einzigartige Gelegenheit, die Sitzung auf der Besuchertribüne zu verfolgen und die Reden der Kandidatinnen und Kandidaten für den Posten der Parlamentspräsidentin zu erleben.

In Brüssel folgten der Besuch der Europäischen Kommission und Vorträge über die Rolle der Europäischen Kommission als politische Exekutive der EU sowie über die Beitrittsperspektive und die langfristige Integration der Ukraine in die EU. Der Besuch beim Rat der EU bot wertvolle Einblicke in den rechtlichen Rahmen für die Außenbeziehungen der Union und rundete das Programm ab.

Die Sommerschule bot den ukrainischen Studierenden nicht nur nützliche akademische Erkenntnisse, sondern ermöglichte es ihnen auch, die Funktionsweise und Strukturen der wichtigsten europäischen Institutionen aus erster Hand unter besonderer Berücksichtigung der Ukraine kennenzulernen.


18. Deutsch-Ukrainisches Kolloquium zur Verwaltungsgerichtsbarkeit

(v.r.n.l.): Oleh Zaverukha, Präsident des Berufungsverwaltungsgerichts Lviv, Tetiana Drachuk, Präsidentin des Berufungsverwaltungsgerichts Winnytsa, Prof. Dr. Lars Brocker, Präsident des Verfassungsgerichtshofs und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, Natalia Bohdaniuk, Stellv. Verwaltungsleiterin des Obersten Gerichts, Leiterin des Sekretariats des Revisionsverwaltungsgerichts des Obersten Gerichts, Andrij Zahorodniuk, Richter am Revisionsverwaltungsgericht des Obersten Gerichts, Johannes Göbel, Präsidialrichter OVG Rheinland-Pfalz, Wolfram Hertig, Senior Projekt Manager, IRZ.
Oleh Zaverukha, Präsident des Verwaltungsgerichts Lviv Berufungsgerichtes, Tetiana Drachuk, Präsidentin des Verwaltungsgerichtes Vinnytsa Berufungsgerichts Vinnytsa, Prof. Dr. Lars Brocker, Präsident des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz Oberverwaltungsgerichts und Präsident des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz Natalia Bohdaniuk, stellvertretende Leiterin der Verwaltung des Obersten Gerichts, Leiterin des Sekretariats des Verwaltungsgerichtshofs des Obersten Gerichtshofs, Andrij Zahorodniuk, Richter am Verwaltungsgerichtshof des Obersten Gerichtshofs Gericht, Johannes Göbel, Vorsitzender Richter am OVG Rheinland-Pfalz, Wolfram Hertig, Senior Project Manager, IRZ (von rechts nach links).

Ukraine

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz schuf auch in diesem Jahr den Rahmen zum Dialog mit der ukrainischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und richtete vom 8.-12. Juli 2024 das Kolloquium zu aktuellen Themenstellungen des Verwaltungsprozessrechts aus.

Aus der Ukraine reisten Andrij Zahorodniuk, Richter am Revisionsverwaltungsgericht des Obersten Gerichts, Oleh Zaverukha, Präsident des Berufungsverwaltungsgerichts Lviv, Tetiana Drachuk, Präsidentin des Berufungsverwaltungsgerichts Winnytsa und die Stellv. Verwaltungsleiterin des Obersten Gerichts, Leiterin des Sekretariats des Revisionsverwaltungsgerichts des Obersten Gerichts, Natalia Bohdaniuk, an. Der Präsident des Landtags Rheinland-Pfalz, Hendrik Hering, empfing die Delegation.

Der Krieg in der Ukraine bereitet der gesamten Justiz des Landes erhebliche Schwierigkeiten wie Personalmangel, zusätzliche logistische und organisatorische Probleme, stagnierende Reformen. Zugleich verzeichnet die Verwaltungsgerichtsbarkeit eine erheblich gestiegene Anzahl an Klagen aufgrund des Krieges.

Dank der engagierten Initiative des Präsidenten des OVG Rheinland-Pfalz (und Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz), Prof. Dr. Lars Brocker, entstand nun ein Programm mit Fachgesprächen zu aktuellen Schwerpunktthemen wie IT-gestützte richterliche Tätigkeit, E-Akte, Versammlungsrecht, Richterliche Selbstverwaltung, Abgrenzung von verwaltungs- und verfassungsrechtlichen Streitigkeiten, Wirtschaftsverwaltungsrecht mit europarecht.    

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit Rheinland-Pfalz hatte die ukrainischen Partner bereits seit Mitte der 90-er Jahre im Auftrag der IRZ zu den ersten Entwürfen des ukrainischen Verwaltungsprozessgesetzes – wie auch das Ende letzten Jahres in Kraft getretenen Verwaltungsverfahrensgesetzes – beraten. Die 2005 geschaffene ukrainische Verwaltungsjustiz orientiert sich in ihrer Entwicklung auch heute an der langjährigen deutschen Beratung. So werden verlässliche und rechtsstaatlich konforme Regelungen unmittelbar aus der Verfassung entwickelt, wenn es an spezialgesetzlichen Regelungen fehlt, wie im Versammlungsrecht oder im Schulrecht. Unbestimmte Rechtsbegriffe werden unter Einbeziehung verfassungsrechtlicher Werte und unter Berücksichtigung grundrechtlicher Gewährleistung konkretisiert und ausgefüllt. Gemeinsam mit dem überaus engagierten OVG Rheinland-Pfalz ist es so gelungen, sich am Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Ukraine einmal mehr konstruktiv zu beteiligen. Dabei hat sich gezeigt, welche Wirksamkeit der wechselseitige Austausch über einen langen Zeitraum entfaltet.