Mirsad Ćeman (Stellv. Präs. VerfG BuH) bei der Vorstellung seines Buchs zur Begründung von Gerichtsentscheidungen Bosnien und Herzegowina
Am Edukationszentrum der Föderation Bosnien und Herzegowina fand am 26. Februar 2019 die in Zusammenarbeit mit der IRZ ausgerichtete Veranstaltung „Kollektiver Rechtsschutz im Recht von Bosnien und Herzegowina im Lichte des EU-Rechts (Verbraucherschutz und Diskriminierungsverbot)“ statt.
Hauptreferent war Professor Dr. Zlatan Meskic, der seine juristische Ausbildung an der Universität Wien absolvierte und dort zum Thema „Europäisches Verbraucherrecht unter besonderer Berücksichtigung des Grünbuchs 2007“ promovierte.
Dies ermöglichte ihm, die europäischen Regelungen im Bezug zu den nationalen Vorschriften und auch zur Rechtsprechung der nationalen Gerichte sowie des Wettbewerbsrates zu setzen, der für verschiedene Beschwerden von Verbänden zuständig ist. Schwerpunkte der lebhaften Diskussionen, die sich an die Einführungsreferate zu den verschiedenen Unterthemen anschlossen, waren der Schutz vor unangemessenen allgemeinen Vertragsbedingungen und der kollektive Rechtsschutz im Verbraucherrecht. Letzter sollte durch eine ZPO-Reform im Jahr 2015 mit der Einführung einer „Klage zum Schutz kollektiver Interessen“ (Art. 453 a bis h) der Zivilprozessordnung der Föderation Bosnien und Herzegowina verbessert werden.
In der Praxis bestehen jedoch verschiedene Umsetzungsdefizite. Diese reichen von mangelnden Kenntnissen des Verbraucherschutzrechts der Richterinnen und Richter über unzureichende gesetzliche Vorschriften bis hin zu fehlenden organisatorischen Voraussetzungen, z. B. eines Registers für Verbraucherklagen.
Zu Beginn der Veranstaltung stellte der frühere Präsident und jetzige Vizepräsident des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina, Mirsad Ćeman, zudem das von ihm verfasste Buch „Einführung in die Begründung von Gerichtsentscheidungen“ vor. Dabei handle es sich laut Aussage des Autors um eine der wenigen Arbeiten in der Region, die sich diesem wichtigen, aber häufig vernachlässigten Thema widmet. Mit seinem Werk will Mirsad Ćeman einen Beitrag zur Verbesserung der Qualität der Begründung gerichtlicher Entscheidungen in der Föderation Bosnien-Herzegowina und darüber hinaus leisten.
Absolventinnen und Absolventen sowie Professorinnen des Begleitstudiums mit Christian Sedat (2.v.r.) von der deutschen Botschaft BuH
Am 29. Januar 2019 fand in Sarajevo die Verleihung der Zertifikate an die dritte Generation des deutschsprachigen Begleitstudium im deutschen Recht an der Juristischen Fakultät Sarajewo statt. Den Rahmen der Verleihung bildete eine Veranstaltung zum Einfluss des deutschen Rechts auf das Recht von Bosnien und Herzegowina sowie zu Fragen der Rechtsübersetzung von der deutschen in die bosnische Sprache und umgekehrt.
Eröffnet wurde diese Veranstaltung von der Prodekanin für internationale Zusammenarbeit, Prof. Dr. Zinka Grbo, die auch einen Überblick über die vielfältigen Aktivitäten während der fast 20-jährigen Zusammenarbeit zwischen der Fakultät und der IRZ gab. Anschließend betonte Christian Sedat als Stellvertreter der deutschen Botschafterin Christine Hohmann in seinen Grußworten die Bedeutung und die Nachhaltigkeit der Unterstützung der Ausbildung zukünftiger Juristinnen und Juristen. Darüber hinaus seien die Absolventinnen und Absolventen des Ergänzungsstudiums auch besondere Botschafter der Zusammenarbeit von Deutschland und Bosnien und Herzegowina.
Die fachliche Betreuerin des Begleitstudiums, Professor Dr. Meliha Povlakic, hielt anschließend einen Vortrag über den Einfluss des deutschen Rechts auf das Recht Bosnien und Herzegowinas. Einleitend wies sie darauf hin, dass die bisherigen Absolventinnen und Absolventen des Begleitstudiums von erheblichen Vorteilen bei der Bewerbung um Arbeitsstellen berichten. Bezüglich des Einflusses des deutschen Rechtes auf dasjenige von Bosnien und Herzegowina hob sie hervor, dass dieser konjunkturellen Schwankungen unterliege. Sie bedauerte auch, dass Reformschritte, die sich klar am deutschen Recht orientierten, nachträglich wieder rückgängig gemacht wurden. Sie sprach in diesem Zusammenhang von einer „Zirkulation der Rechtsmodelle“.
Im anschließenden Vortrag „Ausgewählte Probleme bei der Translation im Rechtsbereich“ wies Dr. Stefan Pürner, Bereichsleiter der IRZ für u.a. Bosnien und Herzegowina, darauf hin, dass bei der Übersetzung von Rechtstexten der EU in die bosnische Sprache die Verwendung von deutschen Ausgangstexten klar derjenigen von englischen vorzuziehen sei. Er begründete es damit, dass sowohl die Sprachen als auch die Rechtssysteme Bosniens und Herzegowinas sowie Deutschlands kompatibler seien als dies im Verhältnis zur englischen Sprache und zum Common Law der Fall sei. Insofern sei für angehende Juristinnen und Juristen aus Bosnien und Herzegowina das Erlernen der deutschen Sprache von Vorteil.
Den Schwerpunkt der Veranstaltung bildete der Erfahrungsbericht von Kanita Purscanovic, einer Absolventin des Begleitstudiums, die inzwischen als Assistentin an einem strafrechtlichen Lehrstuhl arbeitet. Sie stellte den Verlauf des Studiums, die dabei erworbenen Zusatzkenntnisse sowie die gemeinsamen Veranstaltungen mit Studierenden aus anderen jugoslawischen Nachfolgestaaten dar.
Bei der Veranstaltung wurde nochmals der große praktische Nutzen der „IRZ-Bibliothek des deutschen Rechts an der Juristischen Fakultät in Sarajevo“ hervorgehoben, die dank einer großzügigen finanziellen Unterstützung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) eingerichtet werden konnte.
Bei der Ausarbeitung des Curriculums dieser Zusatzausbildung orientierte man sich an den Erfahrungen des ostrechtlichen Begleitstudiums an der Universität Regensburg, das dort von Prof. Dr. Dres. h.c. Friedrich-Christian Schroeder entwickelt wurde. Professor Schroeder ist wissenschaftlichen Leiter des Instituts für Ostrecht München mit Sitz in Regensburg e.V. (IOR), mit dem die IRZ eng zusammenarbeitet.
Vaša Prava-Direktor Emir Prcanović bei seinen Eröffnungsworten Bosnien und Herzegowina
Am 12. Dezember 2018 richtete die IRZ gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation Vaša Prava in Sarajevo eine weitere Konferenz aus. Vaša Prava betreibt ein entitätsübergreifendes Netzwerk von Rechtsberatungsbüros für Bedürftige und verletzte Gruppen. Die Konferenz, die mit Mitteln des Auswärtigen Amtes aus dem deutschen Beitrag zum Stabilitätspakt für Südosteuropa gefördert wurde, widmete sich der praktischen Anwendung des „Gesetzes über das Verbot der Diskriminierung“ des Staates Bosnien und Herzegowina. Anlass war das zehnjährige Jubiläum dessen Inkrafttretens.
Nach der Eröffnung der Veranstaltung, die auf Seiten von Vaša Prava durch Direktor Emir Prcanović vorgenommen wurde, schlossen sich zuerst zwei Referate an, mit denen die theoretischen Grundlagen gelegt wurden. Sie griffen dabei bereits zahlreiche praktische Fälle auf. Referenten waren Professor Dr. Zlatan Meskić, Zenica, der in Wien studiert und promoviert hat, und der deutsche Rechtsanwalt Holger Hembach, der als früherer Mitarbeiter der OSZE in Mazedonien und Serbien große Erfahrungen in der Region gesammelt hat.
An die Auftaktreferate schlossen sich Beiträge über die Anwendung des eben genannten Gesetzes in Bosnien und Herzegowina an. Diese wurden von Ahmet Salčin und Adnan Kadribašić gehalten. Sie informierten nicht nur über die Rechtssprechungspraxis, sondern gaben auch konkrete Hinweise zur sachgerechten Formulierung von Klageanträgen.
Im Anschluss an die Vorträge gab es jeweils lebhafte Diskussionen, bei denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch ihre eigenen Erfahrungen als Berater und Prozessvertreter von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern einbrachten. Dabei wurden mehrere Problemfelder, die in Zukunft bearbeitet werden sollten, herausgearbeitet. So gab es in Bosnien und Herzegowina zwar einige Diskriminierungsfälle, die landesweit Beachtung fanden. Insgesamt ist die Zahl der diesbezüglichen Rechtsstreitigkeiten jedoch wesentlich geringer als dies die gesellschaftlichen Verhältnisse im Lande erwarten lassen würden. Einer der Gründe hierfür dürfte sein, dass sich in der Bevölkerung noch kein Bewusstsein dafür gebildet hat, dass man sich gegen Diskriminierung auch erfolgreich vor Gericht zur Wehr setzen kann. Ein weiterer Grund dürfte jedoch die uneinheitliche und nicht selten sogar innerhalb eines einzigen Gerichtes widersprüchliche Rechtsprechung sein. Die Ursache hierfür sahen einige der Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer darin, dass es aufgrund der Besonderheiten des Staatsaufbaus in Bosnien und Herzegowina kein oberstes Gericht für den Gesamtstaat gibt.
Die Nachhaltigkeit der Veranstaltung wurde dadurch gefördert, dass sämtliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer zwei umfangreiche Buchpublikationen in Landessprache zur einschlägigen Rechtsprechung von EGMR und EuGH erhielten, die von der IRZ in Vorgängerprojekten erstellt worden waren.