Integrität & Unabhängigkeit der Justiz – Grundlage für eine funktionierende Rechtsprechung

Bosnien und Herzegowina

Ein Seminar zum Thema „Integrität, Unabhängigkeit und Ethik“ fand am 6. und 7. September 2022 in Sarajevo am Zentrum für die Edukation der Richter und Staatsanwälte der Föderation Bosnien und Herzegowina statt, das gleichzeitig die erste Präsenzveranstaltung mit diesem Partner seit Beginn der Pandemie darstellte.

Die Veranstaltung wandte sich primär an juristische Mitarbeitende, dem Eingangsamt vor Ernennung zur Richterin oder zum Richter. Dabei referierten die Präsidentin des Verfassungsgerichts der Föderation Bosnien und Herzegowina, Aleksandra Martinović und der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichts für Sachsen-Anhalt und des OLG Naumburg, Winfried Schubert.

Ziel ist die Verbesserung des Ansehens der Justiz

Präsidentin Martinović stellte in ihrem Vortrag nicht nur viele Fälle aus der disziplinarischen Praxis vor, sondern appellierte an die Zuhörenden, die sie als „Zukunft der Justiz in Bosnien und Herzegowina“ bezeichnete, sich aktiv für eine Verbesserung des Ansehens der Justiz einzusetzen. Auch wies sie darauf hin, dass nur eine starke gemeinsame Interessenvertretung der Justizangehörigen dazu beitragen kann, dass beispielsweise sachlich nur schwer nachvollziehbare Entscheidungen bei der Beförderung ins Richteramt abgestellt werden können.

Der Selbstgerechtigkeit keinen Raum geben

Präsident a. D. Schubert stellte die kritische Selbstreflexion der Justizangehörigen in den Mittelpunkt seines Vortrags. In diesem Zusammenhang hob er hervor, dass die richterliche Unabhängigkeit kein persönliches Privileg der Angehörigen der rechtsprechenden Gewalt sei, sondern objektiv eine funktionierende Rechtsprechung garantieren solle. Auch hielt er fest, dass bei der Rechtsanwendung – und damit bei der Suche nach Gerechtigkeit – kein Raum für Selbstgerechtigkeit der Richterinnen und Richter besteht.

Premiere des IRZ-Lehrfilms

Zum Abschluss der Veranstaltung fand die bosnisch-herzegowinische Premiere des von der IRZ produzierten Lehrfilms zur aktiven richterlichen Verhandlungsführung im Zivilprozess statt, an die sich eine interessante Diskussion anschloss.

Im Interesse der Patientinnen und Patienten: Medizinrecht und Arzthaftung

Bosnien und Herzegowina

Am 9. September 2022 veranstaltete das Zentrum für die Edukation der Richter und Staatsanwälte der Föderation Bosnien und Herzegowina in Zusammenarbeit mit der IRZ ein Online-Seminar für Richterinnen und Richter zum Thema Medizin- und Arzthaftungsrecht.

Referierende waren mit Prof. Dr. Jozo Čizmić von der Jurisischen Fakultät in Split, Kroatien und Prof. Dr. Amila Ferhatović, Sarajevo zwei Fachleute, die aufgrund ihrer Sprachkenntnisse, wissenschaftlichen Tätigkeit und verschiedener Forschungsaufenthalte umfassend auf die einschlägige deutsche Rechtsprechung eingingen. Diese dient als Orientierung in dem Bereich Medizin- und Arzthaftungsrecht – zwei Rechtsgebiete, die in Bosnien und Herzegowina erst langsam praktische Bedeutung gewinnen.

Aufklärungs- und Dokumentationspflicht, Sorgfaltspflichtverletzungen und Fragen der Beweislast standen im Fokus der Veranstaltung. Außerdem wurde auf europarechtliche Vorgaben eingegangen.

Prof. Dr. Ferhatovic stellte auch arzthaftungsrechtliche Entscheidungen in Bosnien und Herzegowina vor und wies darauf hin, dass Schulungen der Anwaltschaft in Medizin- und Arzthaftungsrecht notwendig wären, da viele Patientinnen und Patienten wegen unzureichender Kenntnisse ihrer Anwältinnen und Anwälte Ansprüche nicht geltend machen würden.  

Insgesamt zeichneten die vorgestellten Fälle aus der zivil- und strafrechtlichen Praxis ein eindrucksvolles Bild auch der Missstände im Gesundheitswesen des Landes, zu deren Beseitigung die Justiz durch eine konsequente und einheitliche Rechtsprechung beitragen kann.

Regionaler Workshop zu Teilhaberechten von Flüchtenden

Teilnehmende des Workshops
Teilnehmende des Workshops
Bosnien und Herzegowina

Am 6. und 7. Juli 2022 fand der Workshop “Die Rechte von Flüchtenden – Zugang zu wirtschaftlichen und sozialen Rechten“ statt, welchen die IRZ zusammen mit der bosnisch-herzegowinischen NGO „Vaša Prava“ ausrichtete.

Neben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Vaša Prava, die ein landesweites Legal Aid Netzwerk betreibt, nahmen auch Kolleginnen und Kollegen aus Nichtregierungsorganisationen aus Serbien und Nordmazedonien an dem Workshop teil. Außerdem beteiligten sich Mitarbeitende des Ministeriums für Menschenrechte und Flüchtlinge von Bosnien und Herzegowina und des UNHCR Standorts Sarajevo.

Der Workshop zeigte viele Parallelen zwischen den rechtlichen Regelungen und deren praktischer Umsetzung in den Teilnehmerstaaten auf. So werden die gesetzlichen Vorschriften, in denen die Rechte von Flüchtenden genau geregelt sind, überwiegend als positiv angesehen. In der Praxis gibt es erhebliche Umsetzungsdefizite, die durch fehlende Ausführungsvorschriften, Widersprüche zu anderen gesetzlichen Regelungen, aber auch Unkenntnis bei zuständigen Behörden und fehlende Kapazitäten bedingt sind.

Unter dem Stichwort „Integration auf der Hälfte des Weges?“ diskutierten die Teilnehmenden, inwieweit eine Integration in Transitstaaten überhaupt machbar und von den Betroffenen gewünscht ist. Die COVID-19-Pandemie habe die Probleme bei der Betreuung von Flüchtenden verschärft, auch sei der ständige Austausch der NGOs mit staatlichen Stellen ins Stocken geraten.

Als Auswirkung des russischen Angriffs auf die Ukraine gibt es derzeit auch Flüchtende von dort in der Region, die meist regulär mit noch geltenden Touristenvisen eingereist sind. Erfahrungen mit deren Behandlung als Flüchtende fehlen derzeit.

Der Workshop war die erste IRZ-Präsenzveranstaltung in der Region seit Beginn der COVID-19-Pandemie. Die Teilnehmenden profitierten von den Vorteilen des Präsenzformates und führten einen intensiven Erfahrungs- und Gedankenaustausch, den sie auch außerhalb des offiziellen Programms fortsetzten. Damit bot die Veranstaltung den anwesenden Kolleginnen und Kollegen aus den drei beteiligten Ländern die Gelegenheit, sich nach mehr als zwei Jahren Unterbrechung wieder persönlich auszutauschen. Die Veranstaltung trug damit auch zur lokalen Vernetzung bei.