Konferenz zum Thema „Sondervoten in der Verfassungsrechtsprechung“ unter Beteiligung regionaler Verfassungsgerichte

Grafik: IRZ
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Bosnien und Herzegowina

Am 11. Dezember 2020 organisierte die IRZ gemeinsam mit dem Verfassungsgericht von Bosnien und Herzegowina die Regionalkonferenz „Sondervoten in der Verfassungsrechtsprechung“. An der Online-Veranstaltung beteiligten sich auch Richterinnen und Richter der Verfassungsgerichte Kroatiens, Montenegros, Nordmazedoniens, Serbiens und Sloweniens.

Im ersten Teil der Konferenz stellten die Referentin und die Referenten die Möglichkeit zu Sondervoten in der Rechtsprechung der beteiligten Verfassungsgerichte und die diesbezügliche Praxis dar. Hierzu sprachen:

  • Zlatko M. Knežević, Präsident des Verfassungsgerichts Bosnien und Herzegowina
  • Hamdija Šarkinović, kommissarischer Leiter des Verfassungsgerichts Montenegro
  • Dr. Mato Arlović, Richter am Verfassungsgericht Kroatien
  • Sali Murati, Präsident des Verfassungsgerichts Nordmazedonien
  • Prof. Dr. Rajko Knez, Präsident des Verfassungsgerichts Slowenien
  • Snežana Marković, Präsidentin des Verfassungsgerichts Serbien

Die deutsche Sicht stellte Prof. Dr. Michael Eichberger, Bundesverfassungsrichter a. D., dar. Die Vorträge arbeiteten viele Gemeinsamkeiten, aber auch unterschiedliche Positionen heraus, was Anlass für eine intensive Diskussion und einen lebhaften Erfahrungsaustausch war.

Gemeinsam ist allen bei der Konferenz vertretenen Verfassungsgerichten die in der Region noch relativ neue Möglichkeit eines Sondervotums. Das können Sondervoten sein, die von der Mehrheitsentscheidung abweichen, oder auch solche, in denen ausschließlich ein alternativer Begründungsweg dargelegt wird.

Die Teilnehmenden hoben als positiv hervor, dass allein die Ankündigung eines Sondervotums durch eine Richterin oder einen Richter die Diskussion in dem betreffenden Senat intensiviert und die Mehrheit zu einer sehr fundierten Begründung veranlasst. Sie berichteten auch von Fällen, in denen die Mehrheit durch die Auseinandersetzung mit einem Sondervotum zur Revision ihrer ursprünglichen Meinung veranlasst wurde. Da sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg in Einzelfällen bei der Überprüfung entsprechender Entscheidungen dem Sondervotum und nicht der Mehrheitsmeinung anschließt, könne zudem ein abweichendes Votum die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der zu prüfenden Rechtsfrage fördern. Sondervoten könnten jedoch auch nachteilige Wirkungen haben, zum Beispiel wenn in der Medienberichterstattung der Eindruck erweckt werde, dass ein Verfassungsgericht zerstritten sei. Einigkeit herrschte unter den Teilnehmenden deshalb darüber, dass Sondervoten den seltenen Fällen vorbehalten sein sollten, in denen eine Richterin oder ein Richter es aus grundsätzlichen Erwägungen nicht vertreten kann, mit der Meinung der Mehrheit identifiziert zu werden. Keinesfalls sollten Sondervoten dazu genutzt werden, sich beispielsweise mit Blick auf eine mögliche Wiederwahl oder die Fortsetzung einer Karriere nach Ablauf des richterlichen Mandats bei bestimmten politischen Richtungen zu empfehlen.

Zum Hintergrund

Die IRZ richtet die jährliche Regionalkonferenz zum Verfassungsrecht, die vom Auswärtigen Amt (AA) finanziert wird, abwechselnd mit den Verfassungsgerichten von Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien oder Montenegro aus.

Gefördert durch:
Auswärtiges Amt

Online-Seminar zum Sachenrecht

Grafik: IRZ
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Bosnien und Herzegowina

Am 14. und 15. September 2020 veranstaltete das Zentrum für die Edukation der Richter und Staatsanwälte der Föderation Bosnien und Herzegowina gemeinsam mit der IRZ das zweitägiges Online-Seminar „Das Sachenrechtsgesetz in der praktischen Anwendung“. An der Veranstaltung nahmen rund hundert Richterinnen und Richter aus allen Regionen des Landes teil.

Nach der Eröffnung durch Dr. Davor Trlin und Dr. Stefan Pürner als Vertreter der beiden Veranstalter übernahm Prof. Dr. Meliha Povlakić den Vortrag des ersten Seminartags. Sie gilt als führende bosnisch-herzegowinische Expertin im Sachenrecht. Außerdem sammelte Professorin Povlakić während eines mehrjährigen Aufenthalts in Deutschland Arbeitserfahrung in einem Notariat. Dadurch konnte sie das vor fünf Jahren in Kraft getretene Sachenrechtsgesetz der Föderation Bosnien und Herzegowina besonders kenntnisreich vermitteln. Das Gesetz übernimmt einerseits Lösungen aus dem deutschen Recht und orientiert sich andererseits am österreichischen und kroatischen Recht.

Den Vortrag von Professorin Povlakić ergänzte am zweiten Seminartag das Referat von Adnan Baručija, Richter am Kantonsgericht in Zenica. Auf diese Weise ermöglichte das Seminar einen fruchtbaren Dialog zwischen Wissenschaft und richterlicher Praxis.

Im Zentrum der Diskussion über das für Investitionen und damit auch die Wirtschaft sehr bedeutende Seminar-Thema standen aus dem deutschen Recht übernommene Rechtsinstitute wie der Grundsatz, dass aufstehende Gebäude das rechtliche Schicksal des Grundstücks teilen oder das Prinzip des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs. Es wurde deutlich, dass die Gerichte die einschlägigen Vorschriften häufig unterschiedlich auslegen. Das Seminar kann auch deshalb zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung beitragen, weil so viele Richterinnen und Richter teilnahmen. Diese erhalten zudem schriftliche Beiträge zu den behandelten Themen.

Dieses Seminar belegt, dass Online-Veranstaltungen in diesen Zeiten ein gutes Mittel sind, viele Adressatinnen und Adressaten einzubinden.

Zwei Online-Seminare zum Thema Verbraucherschutz

Grafik: IRZ
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Bosnien und Herzegowina

Auf dem Programm der IRZ in Bosnien und Herzegowina standen vom 8. bis 12. Juni 2020 zwei Veranstaltungen mit Bezug zum Thema zum Verbraucherschutz.

Online-Seminar: Die praktischen Auswirkungen des Europarechts auf das nationale Recht am Beispiel des Verbraucherrechts

Dieses Online-Seminar für Richterinnen und Richter fand am Freitag, den 12. Juni 2020, in Zusammenarbeit mit dem Justizedukationszentrum der Föderation Bosnien und Herzegowina statt. Als IRZ-Experte stellte Prof. Dr. Zlatan Meskic (siehe unten) in der Veranstaltung Fälle aus der bosnisch-herzegowinischen Verbraucherrechtspraxis vor. Anhand dieser Beispiele erläuterte der Referent einleitend die europäischen Richtlinien als Hintergrund der nationalen Vorschriften. Professor Meskic wies darauf hin, dass diese nationalen Richtlinien teilweise unvollständig oder unzutreffend umgesetzt worden seien und dass außerdem das Thema der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in verschiedenen Vorschriften geregelt sei. Bei der Bearbeitung und Lösung der von ihm vorgestellten Fälle ergaben sich vor diesem Hintergrund hochkomplexe Rechtsfragen, die er mit den Richterinnen und Richtern intensiv diskutierte, die von ihren Arbeitsplätzen in Bihac, Mostar, Zenica und Sarajevo aus an der Veranstaltung teilnahmen.

Online-Seminar: Die Fallmethode in der deutschen Juristenausbildung anhand des Verbraucherrechts

Einen etwas weiteren Ansatz hatte das vorangegangene zweitägige Online-Seminar am 8. und 10. Juni 2020 mit Doktorandinnen und Doktoranden der Juristischen Fakultät der Universität Zenica. Da dieses Doktorandenstudium in der Region einen guten Ruf genießt, nahm an der Veranstaltung auch eine Teilnehmerin aus Kroatien teil. Im Online-Seminar stellte IRZ-Experte Prof. Dr. Zlatan Meskic die Fallmethode in der deutschen Juristenausbildung anhand von Fällen aus dem Verbraucherrecht vor. Das Verbraucherrecht eignet sich hierfür in besonderer Weise, da dabei, ergänzend zu den traditionellen Auslegungsmethoden, auch die Technik der richtlinienkonformen Auslegung vorgestellt werden kann. Dies ist eine Neuerung für diejenigen Staaten, die einen EU-Beitritt erst anstreben, aber ihr Recht teilweise bereits harmonisiert haben.

Als Hauptreferent wurde Professor Meskic von Dr. Stefan Pürner unterstützt, der als IRZ-Projektbereichsleiter für Bosnien und Herzegowina zuständig ist. Dr. Pürner beherrscht die Landessprache und hat während eines Auslandsstudiums bereits 1989 erfolgreich die Nostrifaktionsprüfung zum damaligen jugoslawischen Diplomjuristen absolviert. Im Team konnten die beiden Referenten das nationale Recht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in diesem europarechtlich geprägten Bereich auch deshalb besonders intensiv vertiefen, da es nicht notwendig war zu dolmetschen. Ein Umstand, der gerade bei Online-Formaten von Vorteil ist, weil es dort auch ohne Sprachmittlung zu Verzögerungen und Informationsverlusten kommen kann.

Über den Referenten

Prof. Dr. Zlatan Meskic lehrt derzeit an der Prinz-Sultan-Universität in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad, nachdem er sein Studium und Gerichtspraktikum in Wien absolviert hat und dort auch zum Thema „Europäischer Verbraucherschutz“ promoviert wurde.