„Tage des Familienrechts“ – zehntes Jubiläum in Mostar

Bildungsminister des Kantons Herzegowina-Neretva Dr. Rašid Hadžović bei seinen Grußworten
Bildungsminister des Kantons Herzegowina-Neretva Dr. Rašid Hadžović bei seinen Grußworten
Bosnien und Herzegowina

Bereits zum zehnten Mal fand vom 20. und 21. Oktober 2022 in Mostar die gemeinsam von der IRZ und der Juristischen Fakultät der Djemal-Bjedić Universität ausgerichtete internationale Konferenz „Tage des Familienrechts“ statt.

An der Veranstaltung beteiligten sich Teilnehmende aus mehreren jugoslawischen Nachfolgestaaten, darunter auch aus den EU-Mitgliedstaaten Kroatien und Slowenien. Forschende und Lehrende sowie Praktikerinnen und Praktiker aus der Justiz und aus Behörden gehörten zu den Teilnehmenden. Mit dabei waren Mitglieder philosophischer und politikwissenschaftlicher Fakultäten, dies unterstrich den interdisziplinären Charakter.

Regional, interdisziplinär, nachhaltig

Der regionale Ansatz der Konferenz ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil in den eng verflochtenen und verhältnismäßig kleinen Nachfolgestaaten Jugoslawiens familienrechtliche Sachverhalte häufig Berührungspunkte zu Nachbarstaaten besitzen. Es gibt nur wenig Literatur und veröffentlichte Rechtsprechung zu dem Themengebiet.

Darüber hinaus stehen alle Staaten vor der Herausforderung, ihr Familienrecht an aktuelle biomedizinische und gesellschaftliche Entwicklungen anzugleichen.

Außerdem sind die Vorgaben der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und der EU zu beachten.

Die rund 30 Vorträge der Veranstaltung werden – wie auch in den vergangenen Jahren – in einem Tagungsband dokumentiert, so dass die Ergebnisse einem großen Adressatenkreis zur Verfügung stehen und so in besonderer Weise nachhaltig sind. In den bisherigen zehn Jahren des Bestehens dieser Veranstaltungsreihe wurden auf

diese Weise über zweihundert familienrechtliche Arbeiten publiziert.

Großes Medieninteresse

Die Veranstaltung stößt nicht nur in Fachkreisen, sondern auch bei der allgemeinen Öffentlichkeit auf großes Interesse. So berichtete das größte Online-Portal Bosnien und Herzegowinas ausführlich über die Tagung und betonte, dass die EU-Rechtsangleichung in Bosnien und Herzegowina „im Schneckentempo“ erfolge und der Gesetzgeber noch zahlreiche Aufgaben zu erfüllen habe.

An die die Notwendigkeit weiteren Handelns auch in wenig reformfreudigen Zeiten zu erinnern und die Rahmenbedingungen für entsprechende gesetzgeberische Initiativen zu schaffen – dazu leistet die IRZ mit der Mit-Organisation dieser Konferenz einen wichtigen Beitrag.

 

Integrität & Unabhängigkeit der Justiz – Grundlage für eine funktionierende Rechtsprechung

Bosnien und Herzegowina

Ein Seminar zum Thema „Integrität, Unabhängigkeit und Ethik“ fand am 6. und 7. September 2022 in Sarajevo am Zentrum für die Edukation der Richter und Staatsanwälte der Föderation Bosnien und Herzegowina statt, das gleichzeitig die erste Präsenzveranstaltung mit diesem Partner seit Beginn der Pandemie darstellte.

Die Veranstaltung wandte sich primär an juristische Mitarbeitende, dem Eingangsamt vor Ernennung zur Richterin oder zum Richter. Dabei referierten die Präsidentin des Verfassungsgerichts der Föderation Bosnien und Herzegowina, Aleksandra Martinović und der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichts für Sachsen-Anhalt und des OLG Naumburg, Winfried Schubert.

Ziel ist die Verbesserung des Ansehens der Justiz

Präsidentin Martinović stellte in ihrem Vortrag nicht nur viele Fälle aus der disziplinarischen Praxis vor, sondern appellierte an die Zuhörenden, die sie als „Zukunft der Justiz in Bosnien und Herzegowina“ bezeichnete, sich aktiv für eine Verbesserung des Ansehens der Justiz einzusetzen. Auch wies sie darauf hin, dass nur eine starke gemeinsame Interessenvertretung der Justizangehörigen dazu beitragen kann, dass beispielsweise sachlich nur schwer nachvollziehbare Entscheidungen bei der Beförderung ins Richteramt abgestellt werden können.

Der Selbstgerechtigkeit keinen Raum geben

Präsident a. D. Schubert stellte die kritische Selbstreflexion der Justizangehörigen in den Mittelpunkt seines Vortrags. In diesem Zusammenhang hob er hervor, dass die richterliche Unabhängigkeit kein persönliches Privileg der Angehörigen der rechtsprechenden Gewalt sei, sondern objektiv eine funktionierende Rechtsprechung garantieren solle. Auch hielt er fest, dass bei der Rechtsanwendung – und damit bei der Suche nach Gerechtigkeit – kein Raum für Selbstgerechtigkeit der Richterinnen und Richter besteht.

Premiere des IRZ-Lehrfilms

Zum Abschluss der Veranstaltung fand die bosnisch-herzegowinische Premiere des von der IRZ produzierten Lehrfilms zur aktiven richterlichen Verhandlungsführung im Zivilprozess statt, an die sich eine interessante Diskussion anschloss.

Im Interesse der Patientinnen und Patienten: Medizinrecht und Arzthaftung

Bosnien und Herzegowina

Am 9. September 2022 veranstaltete das Zentrum für die Edukation der Richter und Staatsanwälte der Föderation Bosnien und Herzegowina in Zusammenarbeit mit der IRZ ein Online-Seminar für Richterinnen und Richter zum Thema Medizin- und Arzthaftungsrecht.

Referierende waren mit Prof. Dr. Jozo Čizmić von der Jurisischen Fakultät in Split, Kroatien und Prof. Dr. Amila Ferhatović, Sarajevo zwei Fachleute, die aufgrund ihrer Sprachkenntnisse, wissenschaftlichen Tätigkeit und verschiedener Forschungsaufenthalte umfassend auf die einschlägige deutsche Rechtsprechung eingingen. Diese dient als Orientierung in dem Bereich Medizin- und Arzthaftungsrecht – zwei Rechtsgebiete, die in Bosnien und Herzegowina erst langsam praktische Bedeutung gewinnen.

Aufklärungs- und Dokumentationspflicht, Sorgfaltspflichtverletzungen und Fragen der Beweislast standen im Fokus der Veranstaltung. Außerdem wurde auf europarechtliche Vorgaben eingegangen.

Prof. Dr. Ferhatovic stellte auch arzthaftungsrechtliche Entscheidungen in Bosnien und Herzegowina vor und wies darauf hin, dass Schulungen der Anwaltschaft in Medizin- und Arzthaftungsrecht notwendig wären, da viele Patientinnen und Patienten wegen unzureichender Kenntnisse ihrer Anwältinnen und Anwälte Ansprüche nicht geltend machen würden.  

Insgesamt zeichneten die vorgestellten Fälle aus der zivil- und strafrechtlichen Praxis ein eindrucksvolles Bild auch der Missstände im Gesundheitswesen des Landes, zu deren Beseitigung die Justiz durch eine konsequente und einheitliche Rechtsprechung beitragen kann.