Katalysatoren des Rechts

Teilnehmende aus Bosnien und Herzegowina und Experten vor dem Gebäude der IRZ in Bonn
Teilnehmende aus Bosnien und Herzegowina und Experten vor dem Gebäude der IRZ in Bonn
Bosnien und Herzegowina

Die Dauer von Gerichtsverfahren gehört zu den zentralen Herausforderungen vieler Rechtsstaaten. Deshalb mahnt die EU in ihren Länderberichten der Beitrittskandidaten des Westlichen Balkan eine Beschleunigung der Verfahren ihrer Prozesse an.

Verzögerungen von Verfahren sind jedoch nur zum Teil durch gesetzliche Regelungen bedingt. Großen Einfluss auf die Beschleunigung von Verfahren kann zum Beispiel auch eine aktive Ausübung der richterlichen Rolle haben. Gerade durch den Einsatz sogenannter „soft skills“ in der Verhandlungsführung können prozessökonomische Effekte hervorgerufen werden.

Die deutsche Verhandlungspraxis bietet diesbezüglich nach Ansicht der IRZ und ihrem langjährigen Partner in Bosnien und Herzegowina, dem Zentrum für die Ausbildung der Richter und Staatsanwälte der Föderation Bosnien und Herzegowina (CEST FBIH) hier viele Anregungen an. Deshalb liegt derzeit ein thematischer Fokus unserer gemeinsamen Aktivität auf der aktiven und effektiven richterlichen Verhandlungsführung. Hervorzuheben ist hierbei ein Studienbesuch für junge bosnische Richterinnen und Richter in Köln und Bonn im Juli. Neben theoretischen Schulungen wurden in diesem Rahmen auch Verhandlungen an den Landgerichten Köln und Bonn besucht, um einen unmittelbaren Praxiseindruck zu gewinnen. Besonders beeindruckend empfanden die Teilnehmenden die aktive Prozessleitung durch die deutschen Richterinnen und Richter und das kollegiale Verhältnis zwischen den am Verfahren beteiligten Juristinnen und Juristen.

Ein Teilnehmer fasste den Besuch im Nachgang in einem Post auf LinkedIn so zusammen: „We felt part of a community committed to the rule of law“.

Deutschsprachiger Workshop zum deutschen Recht

Die Teilnehmenden des Workshops in Belgrad
Die Teilnehmenden des Workshops in Belgrad
Region Westbalkan

Deutschsprechende (Nachwuchs-)Juristinnen und Juristen sowie Sprachmittelnde aus Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien, die bereits an diversen von der IRZ durchgeführten Hospitationen, Sprachkursen und Kursen zum deutschen Recht teilgenommen hatten, diskutierten Ende 2024 über aktuelle Themen aus dem deutschen Recht und den Teilnehmerstaaten im Institut für Rechtsvergleichung in Belgrad.

Ziel des komplett auf Deutsch gehaltenen Workshops war es nicht nur, die Rechtskenntnisse der Alumni zu stärken, sondern auch ihre Fähigkeiten, sich in deutscher Sprache über rechtliche Sachverhalte auszutauschen und sich untereinander zu vernetzen.

Dazu dienten auch Vorträge der Teilnehmenden selbst, die unter anderem die rechtlichen Anforderungen des von den Partnerstaaten im Westbalkan angestrebten EU-Beitritts thematisierten und rechtsvergleichende Darstellungen bezüglich des deutschen Rechts und des Rechts der Region zum Gegenstand hatten. Weitere Schwerpunkte waren anlässlich des 75. Jubiläums des Grundgesetzes das Verfassungsrecht und die Referendarausbildung in Deutschland.

Aufgelockert wurde das umfangreiche Fachprogramm durch unterhaltsame Bestandteile wie ein Quiz zum deutschen Recht und die Übergabe eines Geburtstagskuchens für das Grundgesetz, den der Ständige Vertreter der deutschen Botschafterin, Herr Carsten Meyer-Wiefhausen, stellvertretend entgegennahm.

Klimaschutz ist Menschenrechtsschutz

2. von links: Frau Bundesverfassungsrichterin a.D. Prof. Dr. Gabriele Britz während ihres Vortrags
2. von links: Frau Bundesverfassungsrichterin a.D. Prof. Dr. Gabriele Britz während ihres Vortrags
Bosnien und Herzegowina

Die Geltung der Grundrechte im Umwelt- und Klimaschutz durch die Verfassungsgerichte war Thema einer Regionalkonferenz der Verfassungsgerichte des Westbalkans, die die IRZ gemeinsam mit dem Verfassungsgericht von Bosnien und Herzegowina vom 26. – 28. November 2024 in Tuzla ausrichtete.

Der Veranstaltungsort war in Anbetracht des behandelten Themas mit Bedacht gewählt worden. Als großer Industriestandort gilt Tuzla als die ökologisch am stärksten belastete Stadt in Bosnien und Herzegowina.

Ausgehend von der umweltschutzrechtlichen Praxis der beteiligten Gerichte und der Klimaschutz-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2021 diskutierten die Präsidentinnen und Präsidenten der Verfassungsgerichte von Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Serbien sowie der EU-Mitgliedstaaten Kroatien und Slowenien gemeinsam mit Frau Bundesverfassungsrichterin a.D. Prof. Dr. Gabriele Britz.

Alle Teilnehmenden waren sich darin einig, dass die Rechtsprechung der Verfassungsgerichte nicht mehr nur auf die Gegenwart abzielen, sondern in die Zukunft weisen müsse zum Schutz künftiger Generationen. Außerdem betonten sie übereinstimmend die menschenrechtliche Komponente des Klimaschutzes. Die Ergebnisse der Veranstaltung werden durch das Verfassungsgericht von Bosnien und Herzegowina in einem Tagungsband zusammengefasst, der die Nachhaltigkeit erhöhen wird und einen Einblick in die Rechtsprechung der Verfassungsgerichte der Westbalkanstaaten und des Bundesverfassungsgerichts zum Umwelt- und Klimaschutz geben wird.