Während des Seminars zur Verfassungsbeschwerde Albanien
Albanien hat in den letzten Jahren umfassende Reformen im Justizwesen durchgeführt. Hierunter fällt auch die Änderung der Verfassungsbeschwerde, die es den Bürgern seit 2016 ermöglicht Verfassungsbeschwerde gegen Gesetze einzureichen sowie sich im Rahmen der Individualbeschwerde direkt an das Verfassungsgericht zu wenden. Albanien hat sich hierbei stark am deutschen Modell orientiert.
In diesem Zusammenhang hat die IRZ im letzten Jahr gemeinsam mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin des Verfassungsgericht, Dr. Arta Vorpsi, sowie dem Senatsvorsitzender am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Professor Dr. Jan Bergmann, ein Handbuch zur Verfassungsbeschwerde entwickelt, welches das Verfahren aus albanischer und deutscher Perspektive beleuchtet. Im letzten Jahr konnte die IRZ das Handbuch einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren und es an Gerichte verteilen.
Am 17. Juli 2018 fand nun in Tirana das erste gemeinsame Seminar mit der Anwaltskammer Albaniens zum Thema Verfassungsbeschwerde statt. Ziel war es, die albanische Anwaltschaft mit den neuen Verfahrensvorgaben der Verfassungsbeschwerde vertraut zu machen.
In dem albanisch-deutschen Seminar, das von Dr. Arta Vorpsi und Stefan von Raumer, Rechtsanwalt aus Berlin und Vorsitzender des Verfassungsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins, geleitet wurde, wurden den rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer u.a. die Grundzüge der neuen Ausgestaltung der albanischen Verfassungsbeschwerde sowie deren Zulässigkeitsvoraussetzungen näher erläutert.
Durch die Einbindung praktischer Fälle aus der albanischen und deutschen Praxis wurden anregende Diskussionen zwischen den Teilnehmenden und der Referentin und dem Referenten geführt. Aufgrund der Aktualität des Themas plant die IRZ weitere Seminare mit der Anwaltschaft, eventuell auch in den Regionen Albaniens, um auf diese Weise noch mehr albanische Anwältinnen und Anwälte erreichen zu können.
EU-Botschafterin Romana Vlahutin, Justizministerin Etilda Gjonaj, PStS Christian Lange, Deutsche Botschafterin Susanne Schütz (v.l.n.r) Albanien
Am 13. Juni 2018 wurde im „Europahaus“ der EU-Delegation in der albanischen Hauptstadt Tirana das EU-finanzierte EURALIUS V-Projekt feierlich eröffnet. An der Eröffnungsveranstaltung nahmen neben dem Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Christian Lange, die albanische Justizministerin Etilda Gjonaj, die Botschafterin der EU-Delegation in Tirana, Romana Vlahutin, die deutsche Botschafterin Susanne Schütz, weitere Botschaftsvertreter und Vertreter der albanischen Justiz teil.
Im März 2018 konnte das Vorläuferprojekt EURALIUS IV erfolgreich abgeschlossen werden. Erfreulicherweise hat die federführende Bewerbung der IRZ auf das Nachfolgeprojekt – EURALIUS V – Früchte getragen, so dass die IRZ seit dem 1. April 2018 lückenlos die Arbeit im Rahmen der seit 2014 laufenden albanischen Justizreform fortsetzen und diese fachlich begleiten kann. Das Gesamtvolumen des EURALIUS V-Projekts beträgt rund 7,5 Millionen Euro, die Projektlaufzeit 36 Monate. Insgesamt ist ein Team von knapp 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen des Projekts vor Ort tätig, von denen der Großteil seine Arbeit bereits aufgenommen hat. Auch das aktuelle Projektteam steht, unter der bewährten Teamleitung von Dr. Agnes Bernhard, die diese Funktion auch im Vorgängerprojekt innehatte.
Konsortialpartner des EURALIUS V-Projekts sind neben dem niederländischen “Centre for International Legal Cooperation” (CILC) und der österreichischen “Agency for Economic Development” (AED), die als Partner bereits an dem Vorgängerprojekt mitgewirkt haben, zusätzlich der „Consiglio Superiore della Magistratura“ (CSM) aus Italien.
Inhaltlich berät auch das neue Projekt die Partner in Albanien bei der weiteren Umsetzung und Konsolidierung sowie der Implementierung der seit einigen Jahren laufenden albanischen Justizreformen, bei denen es im Hinblick auf die auf Grundlage der Verfassungsänderung von 2016 und auf Grundlage der entsprechenden Folgegesetze einzurichtenden neuen Justizverwaltungsbehörden zu Verzögerungen gekommen war. Der Beginn des EURALIUS V-Projekts fällt mithin in eine sehr sensitive Phase, zumal die Errichtung neuer Institutionen sowie die weitere Umsetzung geplanter Reformen maßgeblich durch der Ausgang der derzeit parallellaufenden sogenannten Vettingverfahren mitbestimmt wird.
Zusätzlich steht zu erwarten, dass auch die im Rahmen des EU- Gipfels am 28./29. Juni 2018 zu treffende Entscheidung über die Eröffnung der Beitrittsgespräche mit Albanien einen Einfluss auf die Fortsetzung der gesamten Reformbestrebungen und deren Geschwindigkeit haben wird.
Die IRZ wird somit in den nächsten Jahren mit einem hochmotivierten Team unter exzellenter Leitung in Tirana weitere wertvolle Beiträge im Rahmen der für Albanien als historisch erachteten und sehr herausfordernden, aber spannenden Justizreform leisten.
Mit einem zweitägigen Seminar zur Beweiswürdigung startete die IRZ in diesem Jahr ihre bilaterale Zusammenarbeit mit Albanien. Gemeinsam mit der Magistratenschule, der albanischen Aus- und Fortbildungseinrichtung für Justizbedienstete, diskutierten insgesamt rund 25 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und Richterinnen und Richter am 26. und 27. März 2018 über die Themen Beweiswürdigung, Aussageanalyse und Vernehmungslehre.
Dr. Friedrich Kies, Richter am Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, referierte zum Wahrheitsgehalt von Zeugenaussagen, stellte Grundzüge der Aussageanalyse vor und schloss am zweiten Tage mit Besonderheiten der Vernehmungslehre wie Fragetechniken und der Beteiligung von Dolmetschern in der Vernehmung ab. Von albanischer Seite hielten Sokol Berberi, Vangjel Kosta und Ervin Metalla, Dozenten der Magistratenschule, Vorträge zu Relevanz und Glaubwürdigkeit von Beweisen sowie zur Beweiserhebung in Zivil- und Strafprozessen.
Anhand von tatsächlichen albanischen Fällen wurde in Gruppenarbeit, bei der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Rollen tauschen mussten, zur Relevanz der dargelegten Beweise argumentiert und diskutiert. Die Themen des Seminars wurden in diesem Jahr zum ersten Mal in das Curriculum der Magistratenschule aufgenommen und erfreuten sich daher großer Beliebtheit.
Im Rahmen weiterer Fortbildungsseminare wird die IRZ die bereits seit dem Jahr 2000 bestehende Zusammenarbeit mit der Magistratenschule in 2018 weiter fortsetzen.