Schiedsgerichtsbarkeit in Zeiten des (digitalen) Wandels

Interessiert folgen Teilnehmende des Workshops zu Schiedsgerichtsbarkeit in Tunesien am 25. und 26. Februar 2023 einem Beitrag.
Interessiert folgen Teilnehmende des Workshops zu Schiedsgerichtsbarkeit in Tunesien am 25. und 26. Februar 2023 einem Beitrag.
Tunesien

Anlässlich des dreißigjährigen Jubiläums des Gesetzbuchs zur Schiedsgerichtsbarkeit in Tunesien fand vom 25. bis 26. Februar 2023 ein Workshop für Rechtsanwendende in Tunis statt, den die IRZ gemeinsam mit der Forschungsstelle für Streitbeilegung und Vollstreckungsmethoden der rechts- und politikwissenschaftlichen Fakultät der Universität Tunis-El Manar (ReLèVe) veranstaltete.

Schiedsgerichtsbarkeit für mehr Effizienz im Rechtsystem

Der hybride Workshop richtete sich an Vertreterinnen und Vertreter der zuständigen Institutionen, Justizakteure, Kanzleien und Rechtsabteilungen tunesischer Unternehmen. Zum einen war der Workshop eine Bestandsaufnahme der Situation hinsichtlich der Schiedsgerichtsbarkeit in Tunesien und Deutschland, auf der der weitere Austausch aufbaute. Zum anderen wurden Themen wie die Modernisierung und Digitalisierung der Schiedsgerichtsbarkeit für eine effizientere Rechtsprechung erörtert, um den tunesischen Reformprozess zu unterstützen. Der Schiedsgerichtsbarkeit kommt in der tunesischen Justiz eine besondere Bedeutung zu, da sie als alternative Methode der Streitbeilegung zur Entlastung und zur Effizienz der Justizbeiträgt.

Herausforderungen und Chancen

Am ersten Tag der zweitägigen Veranstaltung hielt der emeritierte Professor Mohamed Kamel Charfeddine einen einleitenden Vortrag, der vom Oberstaatsanwalt Imed Derouiche und seinen Überlegungen zur Änderung des Schiedsgesetzbuchs in Tunesien ergänzt wurde. Als Gegenstück referierte der Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Gruber, LL.M., hinsichtlich der Situation der Schiedsgerichtsbarkeit in Deutschland und ihrer Entwicklung in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Außerdem sprach Rechtsanwalt Dr. Rüdiger Morbach über seine praktischen Erfahrungen mit dem Thema „Vom elektronischen Schiedsverfahren zu einer digitalen Justiz“.

Am zweiten Tag befassten sich die Anwesenden während eines Vortrags von Professor Noureddine Gara vertieft mit der Struktur der tunesischen Schiedsgerichtsbarkeit. Vorschläge für mögliche Änderungen brachte die Richterin Asma Hasan ein. Dr. Rüdiger Morbach sprach über staatliche Akteure im Schiedsverfahren, was zur Frage der Schiedsgerichtsbarkeit im Sinne der Gerechtigkeit von Herrn Issam Yahyaoui vom Amtsgericht Tunis, überleitete. Mit Blick auf die Herausforderungen und Chancen des tunesischen Schiedsgesetzbuchs schloss Dr. Nader Zaghal von der juristischen Fakultät der Universität Sfax den Workshop.

Die hybride Veranstaltung erfreute sich neben 60 Teilnehmenden vor Ort auch online nennenswerter Beteiligung mit circa 15 interessierten Personen. Auch in Zukunft werden alternative Methoden zur Streitbeilegung ein Thema für Veranstaltungen in Tunesien bleiben.

Konferenz zur Optimierung der Prozess- und Verfahrensdauer und Steigerung der Effizienz der Justiz

Teilnehmende der Konferenz zur Optimierung der Prozess- und Verfahrensdauer in Tunis am 26.10.2022
Teilnehmende der Konferenz zur Optimierung der Prozess- und Verfahrensdauer in Tunis am 26.10.2022
Tunesien

In Zusammenarbeit mit dem tunesischen Justizministerium und dem Forschungszentrum „Centre d'etudes juridiques et judiciaires“ (CEJJ) realisierte die IRZ am 26. Oktober 2022 in Tunis eine Konferenz zum Thema „Effizienz der Justiz: Optimierung der Prozess- und Verfahrensdauer“.

Eröffnet wurde die Veranstaltung vom deutschen Botschafter, Herrn Peter Prügel, vom Direktor des CEJJ, Herrn Mounir Ferchichi, vom Kabinettschef des tunesischen Justizministeriums, Herrn Kamel Eddine Ben Hsan sowie vom Leiter des Projektbereichs Afrika bei der IRZ, Herrn Mohamed Montasser Abidi. Die deutsche Expertise und Erfahrung brachte Herr Christian Schmitz-Justen, Vizepräsident des Oberlandesgerichts (OLG) Köln, ein.

Der erste Teil der Konferenz fokussierte sich auf den theoretischen Rahmen der Prozessdauer und ihre Bedeutung für die Effizienz der Justiz sowie die damit zusammenhängenden Herausforderungen. Auch Instrumente und Mechanismen, die zur Optimierung der Prozessdauer eingesetzt werden können, wurden diskutiert. Im zweiten Teil der Konferenz hatten die rund 70 Teilnehmenden die Gelegenheit den Austausch und ihre Kenntnisse in fünf Workshops zu den folgenden fünf Rechtsbereichen zu vertiefen:

  1. Optimierung der Prozessdauer im Zivilrecht
  2. Optimierung der Prozessdauer im Strafrecht
  3. Optimierung der Prozessdauer im Handels- und Steuerrecht
  4. Optimierung der Prozessdauer im Sozialrecht
  5. Optimierung der Prozessdauer im Immobilienrecht

Das Thema „Optimierung der Prozessdauer“ ist eines der wichtigsten Schwerpunkte der Arbeit des tunesischen Justizministeriums, mit dem Ziel die Effizienz der Justiz zu steigern. Entsprechend plant die IRZ weitere vertiefende Veranstaltungen zu dieser Thematik im Jahr 2023.

Die Konferenz fand im Rahmen des zwischen dem Bundesministerium der Justiz und dem Justizministerium der Republik Tunesien geschlossenen gemeinsamen Arbeitsprogramms für 2022 statt.

Beratungsseminar zur Wiedereinführung eines Fachabschlusses für Legistik

Teilnehmende des Seminars zur Ausarbeitung eines neuen Studiengangs für Legistik am 28. und 29. November 2022 in Tunesien.
Teilnehmende des Seminars zur Ausarbeitung eines neuen Studiengangs für Legistik am 28. und 29. November 2022 in Tunesien.
Tunesien

Am 28. und 29. November 2022 veranstaltete die IRZ gemeinsam mit der juristischen Fakultät der El Manar Universität in Tunis ein Seminar zur Ausarbeitung eines neuen Studiengangs für Legistik. Bei der Veranstaltung handelte es sich um die Auftaktveranstaltung eines großangelegten und vom Auswärtigen Amt im Rahmen der Ta´ziz-Partnerschaft geförderten Projekts zur Modernisierung des Justizsektors in Tunesien.

Als Experte für die IRZ nahm von deutscher Seite aus Herr Prof. Dr. Hans Hofmann teil, der an der Humboldt Universität zu Berlin ein Modul über Gesetzgebungslehre unterrichtet und außerdem über langjährige Erfahrungen im Bereich der Gesetzgebung verfügt, die er unter anderem durch seine Tätigkeit im deutschen Bundesministerium des Inneren sowie im Bundeskanzleramt erworben hat. Für die tunesische Seite war Herr Khaireddine Ben Soltan anwesend, der ehemalige Leiter der Gesetzgebungsabteilung der tunesischen Regierung.

Teilnehmende des Seminars waren rund 30 Dozenten und Dozentinnen der juristischen Fakultät der Universität El Manar, die den neuen Studiengang entwerfen und letztendlich darin auch unterrichten werden. Bei dem Beratungsseminar handelte es sich um das erste von vier geplanten Seminaren und Beratungen, die sich die komplette Entwicklung, Gestaltung und Ausarbeitung eines Studiengangs für Legistik zum Ziel gesetzt haben.

Während des Seminares wurden unter anderen die folgenden Themenbereiche behandelt und lebhaft diskutiert:

  • Notwendigkeit der Einführung eines Studiengangs für Legistik
  • Gesetzgebung und Legistik in Tunesien
  • Rechtssetzungsverfahren, methodisches Vorgehen und Gesetzesfolgenabschätzung in Deutschland und in Tunesien
  • Instrumente für die Erstellung guter und verständlicher Gesetze
  • Rechtliche und sprachliche Prüfung von Gesetzentwürfen
  • Normenkontrolle und die Rolle des Normenkontrollrats in Deutschland
  • Rolle der Gesetzgebungsabteilung der tunesischen Regierung und die finale Kontrolle von Gesetzestexten

Die durch den neu entwickelten Studiengang ausgebildeten jungen Experten und Expertinnen werden sowohl in der tunesischen Verwaltung wie auch bei der Regierung dringend benötigt, um eine gute und effiziente Gesetzgebung gewährleisten zu können.