Im Rahmen des vom Auswärtigen Amt geförderten IRZ-Projekts zur Unterstützung der Modernisierung der Justiz in Tunesien im Bereich Strafrecht und Gesetzgebungstechnik wurden vier Arbeitsgruppen zur Behandlung der Themenbereiche eingerichtet. Am 8. und 9. Mai 2023 fanden in Tunis das erste Treffen des Steering Committee der Arbeitsgruppen sowie die ersten Arbeitsgruppentreffen statt.
Das Steering Committee wird die Ausarbeitung der Leitfäden in den verschiedenen Arbeitsgruppen begleiten und die Arbeitsabläufe unterstützend koordinieren.
Das Projekt begann im Jahr 2022 und wird gemeinsam mit verschiedenen Akteuren der tunesischen Zivilgesellschaft durchgeführt.
Die vier Arbeitsgruppen sollen unter anderem Leitfäden und Handbücher bzw. Empfehlungen zu folgenden Themenschwerpunkten des Projekts erarbeiten:
Entwicklung einer präventiven Strafpolitik
Effizienzsteigerung im Strafverfahren
Kodifizierung und Standardisierung von Gesetzentwürfen
Konformität und Harmonisierung von Gesetzesentwürfen mit internationalen Abkommen / Prüfung von Gesetzesentwürfen
Ziel der ersten Treffen war es die jeweiligen Arbeitsschwerpunkte und detaillierten Themenbereiche in den Arbeitsgruppen sowie einen zeitlichen und organisatorischen Ablaufplan zur Erstellung der Leitfäden und Handbücher gemeinsam festzulegen.
Mitglieder der Arbeitsgruppen sind Dozentinnen und Dozenten der juristischen Fakultät der Universität El Manar sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bzw. Richterinnen und Richter.
Als IRZ-Experte nahm Herr Pascal Décarpes, EU-Experte im Strafrecht, teil.
Die tunesische Seite zeigte sich sehr engagiert und interessiert an einem Austausch und an Reformen im Bereich Strafrecht und Gesetzgebungstechnik. Weitere Arbeitsgruppentreffen werden in den folgenden Wochen und Monaten stattfinden, um die Leitfäden und Handbücher bzw. Empfehlungen bis Ende 2023 ausarbeiten zu können.
Am 30. Mai 2023 fand in Tunis eine eintägige Konferenz statt, die die Rolle des tunesischen Grundbuchs beim Immobilienerwerb thematisierte und von der IRZ gemeinsam mit der tunesischen Notarkammer organisiert wurde. Es kamen circa 100 Notarinnen und Notare sowie andere Rechtsanwendende zusammen, um verschiedene notarielle Aspekte zur Investitionsförderung im Bereich des Immobilienwesens zu diskutieren.
Das tunesische Grundbuch als Garant für Investitionen
Die Konferenz wurde vom tunesischen Minister für staatliches Vermögen, Mohamed Rekik eröffnet, der die zentrale Rolle von Immobilien bei der Investitionsförderung und damit einhergehend der Wichtigkeit des Grundbuchs erörterte. Nach der Begrüßung thematisierten die weiteren Beiträge die notarielle Beurkundung als Grundlage und Garant zur Förderung von Investitionen, die Immobiliengerichtsbarkeit und die Transaktionssicherheit. Am Nachmittag widmeten sich die Vorträge der Bekämpfung von Geldwäsche im Zusammenhang mit dem Immobilienerwerb und verschiedener Besteuerungen, die Investitionen fördern können und sollen.
Neben den tunesischen Expertinnen und Experten Herrn Wadii Rhouma (Präsident des Grundbuchamts), Herrn Jaafer Rebaoui (Berater des Kassationsgerichts und Vizepräsident des Zentrums für Bodenrecht und Stadtplanung in Tunis), Herr Kamel ben Mansour (Notar), Herr Abdessalam Ben Hamouda (Tunesische Kommission für Finanzanalysen) und Frau Nour Alhouda Abid (Generaldirektion für Studien und Steuergesetzgebung) waren auch Frau Monika Thull (Notarassessorin) als Vertreterin der Bundesnotarkammer sowie Herr Harald Wilsch (Bezirksrevisor IV für Grundbuchsachen beim Amtsgericht München) für Einblicke in das deutsche Grundbuchwesen online zugeschaltet. Frau Thull sprach über die notarielle Beurkundung bei Immobilientransaktionen im deutschen System und Herr Wilsch über die Transaktionssicherheit für Immobilieninvestitionen im deutschen Grundbuchverfahren.
Die Entwicklung des Grundbuchs in Tunesien
Die Konferenz erfreute sich regen Besuchs und lebhafter Beteiligung. Besonders die Vorträge, die sich grundsätzlich mit der Thematik des Grundbuchs und Immobilien als Gegenstand von Investitionen auseinandersetzten, riefen lebhafte Diskussionen hervor, was den Bedarf für eine fortführende Auseinandersetzung im Rahmen von Tagungen oder Konferenzen unterstrich. Eine weitere Veranstaltung für die tunesische Richterschaft der Immobiliengerichte ist angedacht.
Anlässlich des dreißigjährigen Jubiläums des Gesetzbuchs zur Schiedsgerichtsbarkeit in Tunesien fand vom 25. bis 26. Februar 2023 ein Workshop für Rechtsanwendende in Tunis statt, den die IRZ gemeinsam mit der Forschungsstelle für Streitbeilegung und Vollstreckungsmethoden der rechts- und politikwissenschaftlichen Fakultät der Universität Tunis-El Manar (ReLèVe) veranstaltete.
Schiedsgerichtsbarkeit für mehr Effizienz im Rechtsystem
Der hybride Workshop richtete sich an Vertreterinnen und Vertreter der zuständigen Institutionen, Justizakteure, Kanzleien und Rechtsabteilungen tunesischer Unternehmen. Zum einen war der Workshop eine Bestandsaufnahme der Situation hinsichtlich der Schiedsgerichtsbarkeit in Tunesien und Deutschland, auf der der weitere Austausch aufbaute. Zum anderen wurden Themen wie die Modernisierung und Digitalisierung der Schiedsgerichtsbarkeit für eine effizientere Rechtsprechung erörtert, um den tunesischen Reformprozess zu unterstützen. Der Schiedsgerichtsbarkeit kommt in der tunesischen Justiz eine besondere Bedeutung zu, da sie als alternative Methode der Streitbeilegung zur Entlastung und zur Effizienz der Justizbeiträgt.
Herausforderungen und Chancen
Am ersten Tag der zweitägigen Veranstaltung hielt der emeritierte Professor Mohamed Kamel Charfeddine einen einleitenden Vortrag, der vom Oberstaatsanwalt Imed Derouiche und seinen Überlegungen zur Änderung des Schiedsgesetzbuchs in Tunesien ergänzt wurde. Als Gegenstück referierte der Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Gruber, LL.M., hinsichtlich der Situation der Schiedsgerichtsbarkeit in Deutschland und ihrer Entwicklung in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Außerdem sprach Rechtsanwalt Dr. Rüdiger Morbach über seine praktischen Erfahrungen mit dem Thema „Vom elektronischen Schiedsverfahren zu einer digitalen Justiz“.
Am zweiten Tag befassten sich die Anwesenden während eines Vortrags von Professor Noureddine Gara vertieft mit der Struktur der tunesischen Schiedsgerichtsbarkeit. Vorschläge für mögliche Änderungen brachte die Richterin Asma Hasan ein. Dr. Rüdiger Morbach sprach über staatliche Akteure im Schiedsverfahren, was zur Frage der Schiedsgerichtsbarkeit im Sinne der Gerechtigkeit von Herrn Issam Yahyaoui vom Amtsgericht Tunis, überleitete. Mit Blick auf die Herausforderungen und Chancen des tunesischen Schiedsgesetzbuchs schloss Dr. Nader Zaghal von der juristischen Fakultät der Universität Sfax den Workshop.
Die hybride Veranstaltung erfreute sich neben 60 Teilnehmenden vor Ort auch online nennenswerter Beteiligung mit circa 15 interessierten Personen. Auch in Zukunft werden alternative Methoden zur Streitbeilegung ein Thema für Veranstaltungen in Tunesien bleiben.