Online-Seminar „Apostille, neue Technologien und das Notariat“
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- Veröffentlicht: Freitag, 19. Juni 2020
Am 10. Juni 2020 organisierte die IRZ ein Online-Seminar mit dem Thema „Apostille, neue Technologien und das Notariat“. Die Online-Veranstaltung richtete sich an rund dreißig Notarinnen und Notare aus ganz Tunesien. Mitwirkende Expertinnen und Experten auf tunesischer und deutscher Seite waren:
- Kais Kabada, Präsident der tunesischen Notarkammer,
- Richard Bock, Justizrat und Vize-Präsident a.D. der Bundesnotarkammer,
- Dr. Torsten Jäger, Notar,
- Houcine Lagrem, Sekretär der tunesischen Notarkammer,
- Dr. Peter Stelmaszczyk, Geschäftsführer der Bundesnotarkammer am Standort Brüssel, sowie
- Sourour Abidi, Notarin.
Die Initiative für das Online-Seminar kam von der tunesischen Notarkammer wegen der Einschränkungen und Hürden, die sich durch die aktuelle rechtspolitische Lage während der Corona-Pandemie ergeben. Der Fokus der Veranstaltung lag auf den Herausforderungen, die durch Einschränkungen, Ausgangssperren, Schließungen und Abstandsregelungen für das Notariat entstanden sind. Dabei ging es darum, Lösungen für diese Herausforderungen zu finden. Außerdem diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Auswirkungen der Corona-Pandemie im Hinblick auf wirtschaftliche und privatrechtliche Belange.
Da notarielle Beglaubigungen, die Verifizierung der Authentizität von Dokumenten, Siegeln, Unterschriften, Identitäten und Stempeln normalerweise fast ausschließlich in persönlicher Anwesenheit und gegen Vorlage der Originaldokumente vorgenommen werden, trifft die Corona-Pandemie den notariellen Rechtsverkehr hart. Viele Notariate waren von den Einschränkungen im Zuge der Krise betroffen und blieben geschlossen, sodass Bürgerinnen und Bürgern der Zugang zu Recht und Rechtsverkehr größtenteils verwehrt blieb.
Im Online-Seminar ging es deshalb um die individuell auftretenden Probleme im Notariat und im Rechtsverkehr in Tunesien und Deutschland sowie um mögliche Lösungen wie die E-Apostille. Zurzeit haben beide Länder noch einen wenig ausgeprägten digitalisierten Rechtsverkehr. Vor diesem Hintergrund diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die E-Apostille sowie die Gefahren, Vor- und Nachteile des digitalen Rechtsverkehrs. Sie sprachen an, wie die Sicherheit, Vertraulichkeit und Authentizität von Personen, Dokumenten und Inhalten gewahrt bleiben kann, ohne eine augenscheinliche Prüfung vorzunehmen. Außerdem ging es um das Risiko, Dokumente zu beglaubigen und zu legalisieren, bei denen es sich um Fälschungen handelt. Die Expertinnen und Experten machten Vorschläge, unter welchen Bedingungen eine digitale Verifizierung von Dokumenten möglich wäre. In diesem Zusammenhang wurde das belgische Modell vorgestellt: Hier versieht eine Online-Plattform Dritter alle geprüften Dokumente mit einer verschlüsselten Codierung und beugt somit Manipulationen vor.
Auch auf EU-Ebene gibt es Bestrebungen, durch eine für 2022 vorgesehene Verordnung Kriterien und Standards aufzustellen, nach denen Legalisierungsverfahren harmonisiert werden. Für die angestrebten Verfahren sollen der elektronische Personalausweis mit PIN sowie eine Video-Identifikation mit PIN notwendig sein. Da nicht alle EU-Staaten die Sammlung biometrischer Daten erlauben, gestaltet sich die Einigung auf ein EU-weit standardisiertes Verfahren schwierig. Die teilnehmenden tunesischen und deutschen Notarinnen und Notare waren sich allerdings einig, dass sich eine Vereinfachung und Harmonisierung des Rechtsverkehrs auch digital widerspiegeln müsse.
Tunesien ist zwar dem Haager Apostille-Übereinkommen beigetreten, im Verhältnis zu Deutschland gilt das Abkommen allerdings noch nicht (siehe Liste Auswärtiges Amt). Es fehlt also zurzeit ein allgemeingültiges und universell anerkanntes digitales Verfahren zur Qualifizierung und Legalisierung von Dokumenten, Siegeln, Unterschriften und Stempeln. Und auch in diesem Punkt waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig: Ausschließlich durch eine App und Algorithmen ohne menschliche Kontrolle soll ein Beurkundungsprozess nicht ablaufen dürfen.
Zum Hintergrund
Bereits seit 2011 führt die IRZ im Rahmen der institutionellen Zuwendung bilaterale Projekte zur Rechtsreform mit tunesischen Partnern durch. Diese sind derzeit im Arbeitsprogramm für den Zeitraum 2019 -2020 zwischen dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und dem tunesischen Justizministerium festgelegt. Im Rahmen dieses Arbeitsprogramms hat die IRZ eine Kooperation mit dem tunesischen Justizministerium und dadurch auch mit der tunesischen Notarkammer, die ihrerseits gute Beziehungen zur deutschen Bundesnotarkammer pflegt. Die Fortführung dieser Beziehung ist elementarer Bestandteil für die Verbesserung des Rechtsverkehrs zwischen Tunesien und Deutschland.