Online-Seminar „Apostille, neue Technologien und das Notariat“

Grafik: IRZ
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Tunesien

Am 10. Juni 2020 organisierte die IRZ ein Online-Seminar mit dem Thema „Apostille, neue Technologien und das Notariat“. Die Online-Veranstaltung richtete sich an rund dreißig Notarinnen und Notare aus ganz Tunesien. Mitwirkende Expertinnen und Experten auf tunesischer und deutscher Seite waren:

  • Kais Kabada, Präsident der tunesischen Notarkammer,
  • Richard Bock, Justizrat und Vize-Präsident a.D. der Bundesnotarkammer,
  • Dr. Torsten Jäger, Notar,
  • Houcine Lagrem, Sekretär der tunesischen Notarkammer,
  • Dr. Peter Stelmaszczyk, Geschäftsführer der Bundesnotarkammer am Standort Brüssel, sowie
  • Sourour Abidi, Notarin.

Die Initiative für das Online-Seminar kam von der tunesischen Notarkammer wegen der Einschränkungen und Hürden, die sich durch die aktuelle rechtspolitische Lage während der Corona-Pandemie ergeben. Der Fokus der Veranstaltung lag auf den Herausforderungen, die durch Einschränkungen, Ausgangssperren, Schließungen und Abstandsregelungen für das Notariat entstanden sind. Dabei ging es darum, Lösungen für diese Herausforderungen zu finden. Außerdem diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Auswirkungen der Corona-Pandemie im Hinblick auf wirtschaftliche und privatrechtliche Belange. 

Da notarielle Beglaubigungen, die Verifizierung der Authentizität von Dokumenten, Siegeln, Unterschriften, Identitäten und Stempeln normalerweise fast ausschließlich in persönlicher Anwesenheit und gegen Vorlage der Originaldokumente vorgenommen werden, trifft die Corona-Pandemie den notariellen Rechtsverkehr hart. Viele Notariate waren von den Einschränkungen im Zuge der Krise betroffen und blieben geschlossen, sodass Bürgerinnen und Bürgern der Zugang zu Recht und Rechtsverkehr größtenteils verwehrt blieb.

Im Online-Seminar ging es deshalb um die individuell auftretenden Probleme im Notariat und im Rechtsverkehr in Tunesien und Deutschland sowie um mögliche Lösungen wie die E-Apostille. Zurzeit haben beide Länder noch einen wenig ausgeprägten digitalisierten Rechtsverkehr. Vor diesem Hintergrund diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die E-Apostille sowie die Gefahren, Vor- und Nachteile des digitalen Rechtsverkehrs. Sie sprachen an, wie die Sicherheit, Vertraulichkeit und Authentizität von Personen, Dokumenten und Inhalten gewahrt bleiben kann, ohne eine augenscheinliche Prüfung vorzunehmen. Außerdem ging es um das Risiko, Dokumente zu beglaubigen und zu legalisieren, bei denen es sich um Fälschungen handelt. Die Expertinnen und Experten machten Vorschläge, unter welchen Bedingungen eine digitale Verifizierung von Dokumenten möglich wäre. In diesem Zusammenhang wurde das belgische Modell vorgestellt: Hier versieht eine Online-Plattform Dritter alle geprüften Dokumente mit einer verschlüsselten Codierung und beugt somit Manipulationen vor. 

Auch auf EU-Ebene gibt es Bestrebungen, durch eine für 2022 vorgesehene Verordnung Kriterien und Standards aufzustellen, nach denen Legalisierungsverfahren harmonisiert werden. Für die angestrebten Verfahren sollen der elektronische Personalausweis mit PIN sowie eine Video-Identifikation mit PIN notwendig sein. Da nicht alle EU-Staaten die Sammlung biometrischer Daten erlauben, gestaltet sich die Einigung auf ein EU-weit standardisiertes Verfahren schwierig. Die teilnehmenden tunesischen und deutschen Notarinnen und Notare waren sich allerdings einig, dass sich eine Vereinfachung und Harmonisierung des Rechtsverkehrs auch digital widerspiegeln müsse. 

Tunesien ist zwar dem Haager Apostille-Übereinkommen beigetreten, im Verhältnis zu Deutschland gilt das Abkommen allerdings noch nicht (siehe Liste Auswärtiges Amt). Es fehlt also zurzeit ein allgemeingültiges und universell anerkanntes digitales Verfahren zur Qualifizierung und Legalisierung von Dokumenten, Siegeln, Unterschriften und Stempeln. Und auch in diesem Punkt waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig: Ausschließlich durch eine App und Algorithmen ohne menschliche Kontrolle soll ein Beurkundungsprozess nicht ablaufen dürfen. 

Zum Hintergrund

Bereits seit 2011 führt die IRZ im Rahmen der institutionellen Zuwendung bilaterale Projekte zur Rechtsreform mit tunesischen Partnern durch. Diese sind derzeit im Arbeitsprogramm für den Zeitraum 2019 -2020 zwischen dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und dem tunesischen Justizministerium festgelegt. Im Rahmen dieses Arbeitsprogramms hat die IRZ eine Kooperation mit dem tunesischen Justizministerium und dadurch auch mit der tunesischen Notarkammer, die ihrerseits gute Beziehungen zur deutschen Bundesnotarkammer pflegt. Die Fortführung dieser Beziehung ist elementarer Bestandteil für die Verbesserung des Rechtsverkehrs zwischen Tunesien und Deutschland. 

Juristische Mechanismen zur Bekämpfung von Corona - staatliches Handeln in der Krise und das Verhältnismäßigkeitsprinzip

Grafik: IRZ
Grafik: IRZ
Tunesien

Am 20. Mai 2020 bot die IRZ in Zusammenarbeit mit dem tunesischen Centre d’Études Juridiques et Judiciaires (CEJJ) einen ersten Erfahrungsaustausch zur aktuellen rechtspolitischen Lage vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie an. Die Online-Veranstaltung fand im Rahmen des derzeitigen Arbeitsprogramms zwischen dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und dem tunesischen Justizministerium statt. Im Zentrum des Gedankenaustauschs standen die Beschränkungen von Grund- und Verfassungsrechten, die dazu beitragen sollen, die Ausbreitung von Covid-19 zu beschränken, und deren Verhältnismäßigkeit. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten auch die Auswirkungen der Maßnahmen auf den Alltag und die Justiz.

Folgende Expertinnen und Experten nahmen an der Online-Veranstaltung teil:

  • Prof. Dr. Michaela Wittinger, Professorin für Verfassungs-, Staats-, Europa-, und Völkerrecht, Hochschule des Bundes für Öffentliche Verwaltung, Mannheim
  • Stefan Schlotter, Staatsanwalt, Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main
  • Samar Jaiidi, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des CEJJ und Richterin zu verfassungsrechtlichen Themen
  • Iyadh Chaouachi, Gruppenleiter Verwaltungsrecht am CEJJ und Richter
  • Yassine Ammar, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am CEJJ in Strafsachen und Richter

Da Tunesien mit seiner erst seit 2014 verabschiedeten Verfassung eine junge Demokratie ist und bisher noch kein funktional arbeitendes Verfassungsgericht hat, wiegen die wegen der Corona-Pandemie per Dekret durch die Exekutive erlassenen Gesetze und Verordnungen besonders schwer. Sie können die noch nicht gefestigte parlamentarische Demokratie bedrohen. Vor allem weil es noch kein aktives Verfassungsgericht gibt, das Gesetze oder staatliches Handeln für verfassungswidrig erklären kann, ist ein maßvoller, verhältnismäßiger Umgang mit Beschränkungen innerhalb dieses rechtspolitischen Vakuums nötig.

Der Austausch zwischen Expertinnen und Experten verschiedener Rechtskulturen und Erfahrungen fördert einen kritischen und engagierten Umgang zum Erhalt und Ausbau von Rechtsstaatlichkeit. Vor diesem Hintergrund befasste sich der Gedankenaustausch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den juristischen Maßnahmen, die im Rahmen der Corona-Pandemie von Staaten verhängt wurden. Dabei ging es sowohl um die Einschränkungen der Freiheiten von Bürgerinnen und Bürgern als auch um die Auswirkungen der Maßnahmen auf das Justizsystem.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beschäftigten sich mit den Verläufen der Pandemie in Tunesien und Deutschland und den damit einhergehenden Einschränkungen und erlassenen Verordnungen. Sie diskutierten die Auswirkungen von Verstößen auf die Strafpolitik. Dabei stellten Sie einen Trend zur Kriminalisierung der Bürgerinnen und Bürger sowie eine Verschiebung vom Ordnungs- in Richtung Strafrecht fest. Zur Sprache kam auch die in beiden Ländern nach wie vor unzureichende Digitalisierung im Justizsystem. Diese wirke sich negativ auf einen zügigen Zugang zu Recht und Rechtsbehelf aus, waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig. Sie plädierten für einen raschen Ausbau der digitalen Infrastruktur, um den elektronischen Rechtsverkehr weiterentwickeln zu können.

Es ist Ziel der IRZ, ihren Partnern in Tunesien auch kurzfristig Beratungen anzubieten, die sich wie bei diesem Online-Erfahrungsaustausch aus aktuellen rechtsstaatlichen Kontexten ergeben. Darüber hinaus wird die IRZ die seit 2011 in Tunesien geleistete rechtsstaatliche Unterstützung weiter verstetigen.

Erfahrungsaustausch in Tunis zum Thema Korruptionsbekämpfung im Sport

Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit dem Präsidenten der INLUCC, Shawki Al-Tabib (Mitte), und dem deutschen Experten Dr. Helmut Brocke (links daneben) (Foto: Wassim Bougdar,  INLUCC)
Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit dem Präsidenten der INLUCC, Shawki Al-Tabib (Mitte), und dem deutschen Experten Dr. Helmut Brocke (links daneben) (Foto: Wassim Bougdar, INLUCC)
Tunesien

In Zusammenarbeit mit der tunesischen Instanz für Korruptionsbekämpfung (INLUCC = Institution Nationale de Lutte Contre la Corruption) organisierte die IRZ am 10. und 11. März 2020 einen Erfahrungsaustausch mit dem Thema „Korruptionsbekämpfung im Sport – Handhabe des Sportrechts“. Zwar hat Tunesien alle relevanten internationalen und regionalen Konventionen zur Prävention und Bekämpfung von Korruption ratifiziert, dennoch ist Korruption ein nach wie vor aktuelles Thema. Das gilt für die Politik genauso wie für die öffentliche Verwaltung, die Justiz und die Zivilgesellschaft, wie z.B. die Sportverbände. Von tunesischer Seite wurde im Vorfeld der Veranstaltung berichtet, dass tunesische Sportvereine zunehmend durch Unternehmen finanziert würden, und auch die Bestechung und die Bestechlichkeit von Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern zunehme. Es gebe darüber hinaus Probleme bei Ausschreibungen und bei den Wahlen in den Sportverbänden. In letzter Zeit seien Steuerhinterziehung und Geldwäsche im Sportbereich hinzugekommen. Außerdem gebe es innerhalb der tunesischen Justiz keine Schiedsgerichtbarkeit, die für sportliche Belange zuständig ist.

Vor diesem Hintergrund ergaben sich folgende Themenschwerpunkte für den Erfahrungsaustausch:

  • Good Governance in Sportverbänden in Deutschland und Tunesien
  • Verhaltensrichtlinien und Führung von Sportverbänden
  • Mechanismen zur Korruptionsbekämpfung und Korruptionsprävention in Deutschland und Tunesien
  • Schiedsgerichtbarkeit und alternative Streitbeilegung

Auch in Tunesien ist Sport die größte Bürgerbewegung, und nach der Revolution von 2010 müssen die Verbände nun ihre Rolle in der Abgrenzung zur Politik finden. Gleichzeitig gibt es hohe Erwartungen aus dem Sport an die Regierung und die Staatsverwaltung. Während der zwei Veranstaltungstage waren alle maßgeblichen Vertreterinnen und Vertreter des Sportministeriums, der staatlichen Kontrollbehörden sowie der Sportverbände vertreten und haben sich mit Vorträgen und Wortbeiträgen positioniert. Von tunesischer Seite wurde die Veranstaltung u.a. von

  • Shawki Al-Tabib, Präsident der Nationalen Instanz zur Korruptionsbekämpfung,
  • Ahmed Galoul, Minister für Jugend und Sport, und
  • Mehry Boussaine, Präsident der Nationalen Olympischen Kommission in Tunesien mitgestaltet.

Für die IRZ begleitete Dr. Helmut Brocke, Rechtsanwalt und Oberkreisdirektor a.D., die Veranstaltung.

Das Thema „Korruptionsbekämpfung im Sport“ stieß auf großes Interesse bei den Sportverbänden sowie in Politik, Justiz, Verwaltung und nicht zuletzt in den Medien. Dank der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den unterschiedlichsten Bereichen wurden viele verschiedene Sichtweisen dargestellt und diskutiert. Beide Veranstaltungstage waren von einem intensiven Erfahrungsaustausch geprägt. Es ist geplant, die Kooperation mit der INLUCC fortzuführen. 

Zum Hintergrund

Bereits seit 2011 führt die IRZ im Rahmen der institutionellen Zuwendung bilaterale Projekte zur Rechtsreform mit tunesischen Partnern durch. Der obige Erfahrungsaustausch ist die Fortsetzung der Auftaktveranstaltung „Korruptionsbekämpfung – Mechanismen und Prävention“ aus dem Arbeitsprogramm für die Jahre 2019 und 2020 des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz der Bundesrepublik Deutschland und des Ministeriums der Justiz der Republik Tunesien, die im Oktober 2019 in Tunis stattgefunden hatte.