Workshop „Vollzugsplan, Vorbereitung auf die Entlassung und Wiedereingliederung“

Eröffnung des Workshops (v.r.n.l.): Imed Derouiche, Generalstaatsanwalt und Direktor der Justiz im tunesischen Justizministerium; Cherif Snoussi, Generaldirektor der tunesischen Strafvollzugsbehörde; Mohamed Abidi, Leiter des Projektbereichs Afrika der IRZ (Bild: IRZ)
Eröffnung des Workshops (v.r.n.l.): Imed Derouiche, Generalstaatsanwalt und Direktor der Justiz im tunesischen Justizministerium; Cherif Snoussi, Generaldirektor der tunesischen Strafvollzugsbehörde; Mohamed Abidi, Leiter des Projektbereichs Afrika der IRZ (Bild: IRZ)
Tunesien

Gemeinsam mit dem tunesischen Justizministerium und der tunesischen Strafvollzugsbehörde (Comité Général des Prisons et de la Rééducation/CGPR) veranstaltete die IRZ vom 8. bis 9. März 2022 einen Workshop in Tunis im Präsenzformat zur Thematik „Vollzugsplan, Vorbereitung auf die Entlassung und Wiedereingliederung“.

Der Workshop war konzipiert als Erfahrungsaustausch zu möglichen Verfahrensweisen zur Erstellung individueller Vollzugspläne, zur Festlegung individueller Therapieprogramme für Haftinsassen, zur Vorbereitung von Häftlingen auf die Entlassung (Übergangsmanagement) und zur Methodik einer erfolgreichen Wiedereingliederung Haftentlassener.

Die tunesischen Partner waren hochrangig repräsentiert durch Herrn Imed Derouiche, Generalstaatsanwalt und Direktor der Justiz im tunesischen Justizministerium sowie Herrn Cherif Snoussi, Generaldirektor der tunesischen Strafvollzugsbehörde.

Entsprechend der Thematik des Workshops waren auf tunesischer Seite die Berufsgruppen vertreten, die an der Vollzugsplanung, der Vorbereitung von Häftlingen auf die Entlassung und an der Wiedereingliederung Haftentlassener beteiligt sind. Neben Angehörigen der Strafvollzugsbehörde und des Vollzugsdienstes nahmen auch Teilnehmende der Strafvollstreckungsrichterschaft und Anwaltschaft sowie Soziologen und Soziologinnen, Psychologen und Psychologinnen sowie Vertreter und Vertreterinnen des Justizministeriums teil.

Von deutscher Seite wirkten folgende Experten mit:

  • Kai Abraham, Vollzugsleiter der Justizvollzugsanstalt für Frauen, Berlin
  • Pascal Décarpes, Kriminologe und internationaler Berater der Europäischen Union im Bereich Strafvollzug und Resozialisierung

Die tunesischen Partnerinstitutionen waren durch folgende Experten vertreten:

  • Mounir Ben Nsir, Generalberater, Strafvollzugsbehörde
  • Tarek Elfanni, Generalberater, Strafvollzugsbehörde
  • Issemeddine El Amine, Generalberater, Strafvollzugsbehörde
  • Mohamed Miled, Generalberater, Strafvollzugsbehörde

Seit 2014 unterliegt die Straf- und Strafvollzugsgesetzgebung in Tunesien einer grundsätzlichen und umfassenden Reform. Im Bereich des Strafvollzugs liegt hier der Fokus auf der Verbesserung der Haftbedingungen, Implementierung internationaler Menschenrechtsstandards und Stärkung der Resozialisierungsmaßnahmen für entlassene Straftäter. Eine erfolgreiche Wiedereingliederung Haftentlassener soll zur Reduzierung der Rückfallquote beitragen und damit der stetig wachsenden Überbelegung der Haftanstalten in Tunesien entgegenwirken.

Zu diesem Reformprozess, der langfristig auf eine Humanisierung des Strafvollzugswesens abzielt, leistet die IRZ mit ihren Beratungen einen Beitrag.

Erste Ausgabe der juristischen Fachzeitschrift „Kitabat“ in Tunis feierlich vorgestellt

Die erste Ausgabe auf Arabisch und Französisch
Die erste Ausgabe auf Arabisch und Französisch
Tunesien

Am 5. November 2021 wurde die erste Ausgabe der juristischen Fachzeitschrift „Kitabat“ (frz. Titel „Ecrits“) in Tunis feierlich präsentiert. Das Gemeinschaftsprojekt der IRZ und der Forschungsstelle für Streitbeilegung und Vollstreckungsmethoden der Rechts- und Politikwissenschaftlichen Fakultät der Université de Tunis El Manar wird im Rahmen der institutionellen Zuwendung des Bundesministeriums für Justiz gefördert. Es verfolgt das Ziel, rechtliche Expertise und den Erfahrungsaustausch zu verschiedenen Themenbereichen nicht nur während den Veranstaltungen der IRZ zugänglich zu machen. Die erste Ausgabe der juristischen Fachzeitschrift leistet einen Beitrag zur wissenschaftlichen und praktischen Zusammenarbeit zwischen tunesischen, französischen und deutschen Juristinnen und Juristen und fördert den Austausch über aktuelle Rechtsprobleme.

Durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ist das Thema Digitalisierung in vielen Lebens- und Arbeitsbereichen stärker in den Vordergrund gerückt. Nicht nur im deutschen Justizwesen, sondern auch in den Partnerstaaten des Projektbereichs Afrika wird das Thema intensiv diskutiert und mit der Forderung nach einem Entwicklungsschub und somit einer schnelleren und stärkeren Digitalisierung verbunden. Vor diesem Hintergrund konzipierte der IRZ-Projektbereich Afrika eine Veranstaltungsreihe, die sich dem vielfältigen Themenbereich „Digitalisierung der Justiz“ widmete. 

Anknüpfend an diese Veranstaltungsreihe befassen sich in der ersten Ausgabe der juristischen Fachzeitschrift tunesische, französische sowie deutsche Autorinnen und Autoren mit diesem Themenkomplex. Auf über 500 Seiten tauschen sich Juristinnen und Juristen aus Praxis und Wissenschaft über die Digitalisierung der Justiz und weitere aktuelle Rechtsdebatten aus. 

Die Beiträge aus Tunesien, Frankreich und Deutschland sind auf Französisch oder Arabisch veröffentlicht. Zusätzlich sind Fachartikel auf Französisch, Arabisch und Deutsch in einem Resümee zusammengefasst.

Da die inhaltlich facettenreiche und multilinguale Fachzeitschrift den in den Veranstaltungen der IRZ gelebten Erfahrungsaustausch nachhaltig vertieft, sind künftig weitere Ausgaben zu aktuellen Rechtsthemen geplant. Dabei soll die erfolgreiche Zusammenarbeit der IRZ mit der Forschungsstelle für Streitbeilegung und Vollstreckungsmethoden der Rechts- und Politikwissenschaftlichen Fakultät der Université de Tunis El Manar fortgeführt werden. 

Erfahrungsaustausch zum Thema „Urteils- und Strafvollstreckung“

Während des Erfahrungsaustauschs
Während des Erfahrungsaustauschs
Tunesien

Am 8. April 2021 veranstaltete die IRZ einen Erfahrungsaustausch zum Thema „Urteils- und Strafvollstreckung“ im Hybridformat. Neben Repräsentantinnen und Repräsentanten des tunesischen Justizministeriums waren auch zahlreiche Strafrichterinnen und Strafrichter verschiedener Gerichtsbezirke in Tunesien sowie leitende Beamte aus der Strafvollzugsverwaltung anwesend. Die Veranstaltung fand statt im Rahmen des gemeinsamen Arbeitsprogramms über rechtliche Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und dem tunesischen Justizministerium.

Als IRZ-Experten nahmen Andreas Stüve, Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, und Michael Nehring, Richter am Landgericht Bonn, an dem Erfahrungsaustausch teil.

Für die tunesischen Projektpartner wirkten mit:

  • Imed Derouiche, tunesischer Generalstaatsanwalt und Direktor der Justiz im tunesischen Justizministerium
  • Omar Yahyaoui, Staatsanwalt am erstinstanzlichen Gericht Ben Arous
  • Sonia Dridi, Strafvollstreckungsrichterin am Gericht Manouba
  • Sinan Zbidi, Strafvollstreckungsrichter am Gericht Manouba

Inhaltlich knüpfte die Veranstaltung an den Erfahrungsaustausch zum Thema „Alternative Strafen und Alternativen zur Untersuchungshaft“ vom November 2020 an.
Neben den Grundlagen und Hindernissen bei einer rechtmäßigen Urteilsvollstreckung wurden bei der jetzigen Veranstaltung auch die Rollen von Staatsanwaltschaft und Richterschaft bei den unterschiedlichen Strafvollstreckungsmöglichkeiten thematisiert. In Tunesien wird zurzeit ein Gesetzentwurf zum neuen Strafgesetzbuch beraten. Alternative Strafen sind bereits im Gesetz vorgesehen, werden allerdings nur selten angewandt. Gestärkt werden sollen darüber hinaus die Alternativen zum Haftvollzug, welche bislang nur rudimentär in Form von Geldstrafen vorhanden sind.

Obwohl in Tunesien eine schnellstmögliche Vollstreckung der Urteile angestrebt wird, ist die häufige Abwesenheit der Angeklagten bei der Urteilsverkündung ein großes Problem, da hierdurch die Vollstreckung nicht umgesetzt werden kann. Aufgrund dieser Tatsache identifizierten die Teilnehmenden einen Reformbedarf bei der tunesischen Gesetzgebung. Darüber hinaus soll die Kooperation zwischen Richterschaft, Staatsanwaltschaft, Polizei sowie der Strafvollzugsbehörde bei der Strafvollstreckung verbessert werden. Auf Beschluss des Justizministeriums wurde hierzu bereits eine Koordinationsstelle eingerichtet.

Im Hinblick auf die Strafvollstreckung und die Anwendung alternativer Strafen ist stets auch die Frage der Kapazitätsgrenzen des Strafvollzugs zu beachten. Um die Koordination zwischen Strafjustiz und Strafvollzug zu unterstützen, hat Tunesien deshalb die Institution des Vollzugsrichters geschaffen. Die Vollzugsrichterinnen und Vollzugsrichter sind auch für die Verhängung alternativer Strafen zuständig.

Die lebhafte Diskussion der Teilnehmenden zeigte, dass insbesondere bei der Vollstreckung von Geldstrafen sowie zu Fragen der Ausgestaltung und Überwachung von Bewährungsentscheidungen weiterer Beratungsbedarf in Tunesien besteht. Die IRZ wird daher ihre Zusammenarbeit mit der tunesischen Justiz im Bereich der alternativen Sanktionen fortsetzen und intensivieren.