„Recht und Digitalisierung“ war das Thema der Konferenz, welche die IRZ am 4. und 5. März 2022 gemeinsam mit der Forschungsstelle für Streitbeilegung und Vollstreckungsmethoden der Rechts- und Politikwissenschaftlichen Fakultät der Universität Tunis El Manar in Tunis veranstaltete.
An der Konferenz im Hybridformat beteiligte sich für die IRZ Dr. Lars Bierschenk, Richter am Landgericht Bonn, vormals abgeordnet zum Zentralen IT-Dienstleister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen (ITD). Insgesamt waren rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei.
Aus Tunesien nahmen folgende Expertinnen und Experten teil:
Hatem Rouatbi, Leiter der Forschungsstelle für Streitbeilegung und Vollstreckungsmethoden an der Rechts- und Politikwissenschaftlichen Fakultät
Chawki Gaddes, Präsident der Nationalen Instanz zum Schutz personenbezogener Daten (INPDP)
Kamel Rezgui, Dozent an der Hochschule für Kommunikation in Tunis und Rechtsanwalt beim Kassationsgerichtshof
Badii Ben Abbes, Zivilrichter dritten Grades, Sfax
Kaouther Selmi, Geschäftsführerin „SIMARL“ (Rechtsdienstleister im Bereich der alternativen Streibeilegung)
Mélanie Clément-Fontaine, Professorin an der Universität Paris-Saclay
Valérie Laure Benabou, Professorin an der Universität Paris-Saclay
Khaylan Ben Abdessalem, Doktorandin und Mitglied der die Forschungsstelle für Streitbeilegung und Vollstreckungsmethoden
Während der Konferenz wurden u.a. folgende Themenbereiche behandelt:
Digitalisierung und Datensicherheit
Online-Wahlen und E-Demokratie
Algorithmisierung des Rechts und Digitalisierung der Justizdienste
Digitalisierung und Zivilstreitigkeiten
Auswirkungen der Digitalisierung auf das Vertragsrecht
Elektronischer Rechtsverkehr in Deutschland
Gerade im Justizwesen ist die Digitalisierung ein aktuelles Thema, das als Chance mit vielen Hindernissen thematisiert wird. In diesem Kontext setzte die Konferenz den Schwerpunkt auf rechtliche Aspekte und Methoden der Digitalisierung mit Bezug auf die Rechtssysteme in Tunesien, Deutschland und Frankreich. Die Diskussionen thematisierten auch die besonderen Herausforderungen der Digitalisierung im Bereich der Justiz, die rechtlichen Auswirkungen des digitalen Wandels und die Frage, inwiefern das Rechtssystem mit der Digitalisierung Schritt halten kann. Einigkeit herrschte darüber, dass die Digitalisierung mittlerweile eine zentrale Herausforderung ist, die durch das Recht begleitet werden muss.
Zu dieser Thematik plant die IRZ weitere vertiefende Veranstaltungen im Jahr 2022.
Gemeinsam mit dem tunesischen Justizministerium und der tunesischen Strafvollzugsbehörde (Comité Général des Prisons et de la Rééducation/CGPR) veranstaltete die IRZ vom 8. bis 9. März 2022 einen Workshop in Tunis im Präsenzformat zur Thematik „Vollzugsplan, Vorbereitung auf die Entlassung und Wiedereingliederung“.
Der Workshop war konzipiert als Erfahrungsaustausch zu möglichen Verfahrensweisen zur Erstellung individueller Vollzugspläne, zur Festlegung individueller Therapieprogramme für Haftinsassen, zur Vorbereitung von Häftlingen auf die Entlassung (Übergangsmanagement) und zur Methodik einer erfolgreichen Wiedereingliederung Haftentlassener.
Die tunesischen Partner waren hochrangig repräsentiert durch Herrn Imed Derouiche, Generalstaatsanwalt und Direktor der Justiz im tunesischen Justizministerium sowie Herrn Cherif Snoussi, Generaldirektor der tunesischen Strafvollzugsbehörde.
Entsprechend der Thematik des Workshops waren auf tunesischer Seite die Berufsgruppen vertreten, die an der Vollzugsplanung, der Vorbereitung von Häftlingen auf die Entlassung und an der Wiedereingliederung Haftentlassener beteiligt sind. Neben Angehörigen der Strafvollzugsbehörde und des Vollzugsdienstes nahmen auch Teilnehmende der Strafvollstreckungsrichterschaft und Anwaltschaft sowie Soziologen und Soziologinnen, Psychologen und Psychologinnen sowie Vertreter und Vertreterinnen des Justizministeriums teil.
Von deutscher Seite wirkten folgende Experten mit:
Kai Abraham, Vollzugsleiter der Justizvollzugsanstalt für Frauen, Berlin
Pascal Décarpes, Kriminologe und internationaler Berater der Europäischen Union im Bereich Strafvollzug und Resozialisierung
Die tunesischen Partnerinstitutionen waren durch folgende Experten vertreten:
Mounir Ben Nsir, Generalberater, Strafvollzugsbehörde
Seit 2014 unterliegt die Straf- und Strafvollzugsgesetzgebung in Tunesien einer grundsätzlichen und umfassenden Reform. Im Bereich des Strafvollzugs liegt hier der Fokus auf der Verbesserung der Haftbedingungen, Implementierung internationaler Menschenrechtsstandards und Stärkung der Resozialisierungsmaßnahmen für entlassene Straftäter. Eine erfolgreiche Wiedereingliederung Haftentlassener soll zur Reduzierung der Rückfallquote beitragen und damit der stetig wachsenden Überbelegung der Haftanstalten in Tunesien entgegenwirken.
Zu diesem Reformprozess, der langfristig auf eine Humanisierung des Strafvollzugswesens abzielt, leistet die IRZ mit ihren Beratungen einen Beitrag.
Am 5. November 2021 wurde die erste Ausgabe der juristischen Fachzeitschrift „Kitabat“ (frz. Titel „Ecrits“) in Tunis feierlich präsentiert. Das Gemeinschaftsprojekt der IRZ und der Forschungsstelle für Streitbeilegung und Vollstreckungsmethoden der Rechts- und Politikwissenschaftlichen Fakultät der Université de Tunis El Manar wird im Rahmen der institutionellen Zuwendung des Bundesministeriums für Justiz gefördert. Es verfolgt das Ziel, rechtliche Expertise und den Erfahrungsaustausch zu verschiedenen Themenbereichen nicht nur während den Veranstaltungen der IRZ zugänglich zu machen. Die erste Ausgabe der juristischen Fachzeitschrift leistet einen Beitrag zur wissenschaftlichen und praktischen Zusammenarbeit zwischen tunesischen, französischen und deutschen Juristinnen und Juristen und fördert den Austausch über aktuelle Rechtsprobleme.
Durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ist das Thema Digitalisierung in vielen Lebens- und Arbeitsbereichen stärker in den Vordergrund gerückt. Nicht nur im deutschen Justizwesen, sondern auch in den Partnerstaaten des Projektbereichs Afrika wird das Thema intensiv diskutiert und mit der Forderung nach einem Entwicklungsschub und somit einer schnelleren und stärkeren Digitalisierung verbunden. Vor diesem Hintergrund konzipierte der IRZ-Projektbereich Afrika eine Veranstaltungsreihe, die sich dem vielfältigen Themenbereich „Digitalisierung der Justiz“ widmete.
Anknüpfend an diese Veranstaltungsreihe befassen sich in der ersten Ausgabe der juristischen Fachzeitschrift tunesische, französische sowie deutsche Autorinnen und Autoren mit diesem Themenkomplex. Auf über 500 Seiten tauschen sich Juristinnen und Juristen aus Praxis und Wissenschaft über die Digitalisierung der Justiz und weitere aktuelle Rechtsdebatten aus.
Die Beiträge aus Tunesien, Frankreich und Deutschland sind auf Französisch oder Arabisch veröffentlicht. Zusätzlich sind Fachartikel auf Französisch, Arabisch und Deutsch in einem Resümee zusammengefasst.
Da die inhaltlich facettenreiche und multilinguale Fachzeitschrift den in den Veranstaltungen der IRZ gelebten Erfahrungsaustausch nachhaltig vertieft, sind künftig weitere Ausgaben zu aktuellen Rechtsthemen geplant. Dabei soll die erfolgreiche Zusammenarbeit der IRZ mit der Forschungsstelle für Streitbeilegung und Vollstreckungsmethoden der Rechts- und Politikwissenschaftlichen Fakultät der Université de Tunis El Manar fortgeführt werden.