Seminare „Richterliche Verhandlungsführung“ und „Förderung von Vergleichen in Zivilprozessen“

Grafik: IRZ
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Nordmazedonien

Am 7. und 9. Dezember 2020 richtete die IRZ gemeinsam mit der „Akademie für die Aus- und Weiterbildung der Richter und Staatsanwälte“ von Nordmazedonien zwei Online-Seminare zu den oben genannten Themen aus.

Beide Veranstaltungen für Richterinnen und Richter aus Nordmazedonien wurden durch die Direktorin der Akademie, Prof. Dr. Natasha Gabler Damjovska, und Projektbereichsleiter Dr. Stefan Pürner eröffnet. Auf die Begrüßung der rund 60 Teilnehmenden folgten jeweils Vorträge zum Thema aus der Sicht beider Länder. Die Referentinnen und Referenten der Seminare waren:

„Richterliche Verhandlungsführung“

  • Keti Germanova, Richterin am Amtsgericht Skopje
  • Daniel Jung, Richter am Landgericht und derzeit Dozent an der Fachhochschule für Rechtspflege NRW

„Förderung von Vergleichen in Zivilprozessen“

  • Katerina Goeorgievska, Richterin am Berufungsgericht Skopje
  • Dr. Ingo Werner, Richter am Oberlandesgericht Köln

Beide Veranstaltungen reflektierten die Rolle der Richterschaft im Zivilrecht. Im Zentrum der Diskussion stand insbesondere die Frage, inwieweit es die jeweiligen Verfahrensordnungen den Richterinnen und Richtern gestatten, aktiv mit den Parteien sowie ihren Vertreterinnen und Vertretern über die Erfolgsaussichten einer Klage zu verhandeln und konkrete Vergleichsvorschläge zu machen.

Art. 307 Absatz 3 der Zivilprozessordnung von Nordmazedonien regelt, dass Richterinnen und Richter während des Verfahrens auf die Möglichkeit eines Vergleichs hinweisen und den Parteien dabei „helfen“ (помогне) müssen, einen solchen abzuschließen. Zu diesem Punkt „helfen“ gab es im Anschluss an die Vorträge kontroverse Diskussionen, da die mazedonischen Teilnehmenden befürchten, als befangen zu gelten, wenn sie mit den Parteien beispielsweise über die Rechtslage sprechen oder konkrete Vorschläge für Vergleiche machen. Hier hat das richterliche Selbstverständnis der Richterschaft oft größeren Einfluss auf die Effektivität von Gerichtsverfahren als die Regelungen des geschriebenen Rechts.

Das richterliche Selbstverständnis der deutschen Rechtspraxis und die positiven Erfahrungen mit richterlichen Hinweisen können hier wichtige Impulse setzen.

Erfahrungsaustausch zu Verfassungsfragen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie

Grafik: IRZ
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Nordmazedonien

Am 8. Oktober 2020 richteten die IRZ und das Verfassungsgericht von Nordmazedonien einen Erfahrungsaustausch zur verfassungsrechtlichen Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie aus.

Die Veranstaltung fand sowohl vor Ort als auch online statt. Die Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichts von Nordmazedonien fanden sich unter Beachtung des Hygienekonzepts im Tagungsraum des Verfassungsgerichts ein. Alle übrigen Mitwirkenden und Teilnehmenden, so auch die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gerichts, beteiligten sich online an dem Erfahrungsaustausch.

Zunächst begrüßten Sali Murati, Präsident des Verfassungsgerichts von Nordmazedonien, und Dr. Stefan Pürner von der IRZ die Teilnehmenden. Im Anschluss daran gab die deutsche Botschafterin Anke Holstein in ihren Grußworten der Hoffnung Ausdruck, dass die Beitrittsgespräche zur EU mit Nordmazedonien noch dieses Jahr beginnen werden. Außerdem verwies sie auf die große Bedeutung der IRZ-Tätigkeit in Nordmazedonien auch vor dem Hintergrund, dass die EU das Thema Rechtstaatlichkeit in den Fokus rücke.

Die beiden Referate der Veranstaltung bestritten aus der jeweiligen nationalen Perspektive Sali Murati und Prof. Dr. Udo Steiner, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht. Die Referenten gaben einen Überblick über die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Eindämmung der Pandemie. Übereinstimmend stellten sie fest, dass die Verfassungsgerichte beider Länder die Verhältnismäßigkeitsprüfung in den Mittelpunkt stellen. Dabei räumten diese bei ihren Entscheidungen einen relativ weiten Ermessensspielraum ein, betonten aber gleichzeitig, dass einschränkende Maßnahmen immer in Anbetracht des jeweiligen Infektionsgeschehens angemessen sein müssten. Im Unterschied zu Deutschland würden die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie in Nordmazedonien meist im Wege von Verordnungen mit Gesetzeskraft und nicht durch das Parlament erlassen.

Verfassungsgerichtspräsident Murati verwies darüber hinaus in seinem Vortrag darauf, dass die Herausforderung der Verfassungsgerichtsbarkeit in Zeiten der Pandemie nicht nur darin bestehe, innerhalb kürzester Zeit ein erhöhtes Aufkommen an Fällen von allgemeiner Bedeutung zu entscheiden, sondern auch darin, die Arbeitsfähigkeit des Gerichts überhaupt aufrechtzuerhalten. So habe das Parlament Nordmazedoniens während des Ausnahmezustands die Arbeit eingestellt, wohingegen das Verfassungsgericht durchweg seinen Aufgaben nachkommen sei. Zum Abschluss seines Vortrags betonte Murati die hohe Bedeutung einer aktiven Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Verfassungsgerichte gerade in Krisenzeiten.

Öffentlichkeitsarbeit von Gerichten und Staatsanwaltschaften

Grafik: IRZ
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Nordmazedonien

Am 22. Juni 2020 fand die Abschlussveranstaltung einer Online-Seminarreihe zum Thema „Justiz und Medien in Nordmazedonien“ statt. Die Seminarreihe hatte die Akademie für Richter und Staatsanwälte von Nordmazedonien in Zusammenarbeit mit der IRZ ausgerichtet. Während sich der erste Teil der Seminarveranstaltungen an Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten gerichtet hatte, war die Zielgruppe der Abschlussveranstaltung Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in leitender Funktion.

An die Eröffnung der Veranstaltung durch die Direktorin der Akademie, Prof. Dr. Natasha Gaber-Damjanovksa, und den zuständigen Bereichsleiter der IRZ, Rechtsanwalt Dr. Stefan Pürner, begrüßte Otto Graf als Ständiger Vertreter des deutschen Botschafters die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Er betonte in seinen Grußworten die große Bedeutung des Rechtsstaats, um den EU-Beitritt Nordmazedonien vorzubereiten. Otto Graf hob als besonders positiv hervor, dass die Zusammenarbeit zwischen der Akademie und der IRZ auch während der gegenwärtigen Pandemie fortgesetzt wird.

Das erste Referat des Online-Seminars bestritt Prof. Dr. Jasna Bachovska-Nedic, die an der Universität „Hl. Kyrill und Method“ in Skopje Medienrecht lehrt. Sie zeichnete zunächst ein vorwiegend negatives Bild der gegenwärtigen Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte und Staatsanwaltschaften in Nordmazedonien und setzte anschließend einige positive Beispiele dagegen, anhand derer sie konkrete Handlungsempfehlungen für die Zukunft gab.

Es folgte der Vortrag von Generalstaatsanwalt a.D. Winfried Schubert, Präsident des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt sowie des Oberlandesgerichts Naumburg, zur Medienarbeit der Staatsanwaltschaft bei laufenden Ermittlungsverfahren und im Zusammenhang mit Anklageerhebungen. Er stellte Beispiele aus der Medienarbeit deutscher Staatsanwaltschaften vor, wobei er auch Negativbeispiele und Kommunikationspannen nicht aussparte. Winfried Schubert betonte, nach deutscher Auffassung müssten die Staatsanwaltschaften bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sorgsam gegen die Rechte der Beschuldigten, Angeschuldigten und Angeklagten abwägen.

Die Veranstaltungsreihe stieß auf großes Interesse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich bereits aus verschiedenen vorangegangenen Präsenzveranstaltungen der IRZ in Nordmazedonien kannten. Dementsprechend gut war die Arbeitsatmosphäre des Webinars.