Erfahrungsaustausch in Amman zur Harmonisierung der Gesetzgebung mit internationalen Menschenrechtsstandards mit den Teilnehmenden des jordanischen Justizministeriums. Jordanien
Im Rahmen der institutionellen Förderung des Bundesministeriums der Justiz veranstaltete die IRZ in Kooperation mit dem Jordanischen Justizministerium am 8. Mai 2023 einen Erfahrungsaustausch zum Thema „Harmonisierung der Gesetzgebung mit internationalen Menschenrechtsstandards“.
Der Erfahrungsaustausch konzentrierte sich auf das Implementierungsverfahren internationaler Menschenrechtsverpflichtungen in der nationalen Gesetzgebung sowie auf die Kontrollmechanismen zur Einhaltung dieser.
Hana Hamdan Saeed Al Khab, Leiterin der Abteilung für Menschenrechte des jordanischen Justizministeriums, gab zunächst einen Einblick darüber, wie internationale Menschenrechte in der jordanischen Gesetzgebung umgesetzt werden.
Dr. Michael Erwin Fuchs, Ministerialrat a.D. und Lehrbeauftragter, gab einen Einblick in die deutsche Ausgestaltung des Implementierungsprozesses internationaler Menschenrechtskonventionen. Dabei beschrieb er zunächst den Unterschied zwischen der Monistischen und Dualistischen Theorie, welcher Deutschland folgt. Internationale Verträge werden vom Bundespräsidenten oder der Außenministerin ausgehandelt. Im Anschluss werden die abgeschlossenen Verträge durch einen Transformationsakt mit Zustimmung oder Mitwirkung des Bundestages und Bundesrates in natürliches Recht umgewandelt, damit diese innerhalb Deutschlands Anwendung finden. Zur Kontrolle der nationalen Einhaltung internationaler Menschenrechte gibt es in Deutschland drei Wächter: die Gerichte, das Parlament und die Politik. Zudem beobachtet die Zivilgesellschaft die Umsetzung der Rechte und rügt die Regierung, sofern diese nicht ausreichend garantiert werden. Zuletzt benannte der Menschenrechtsbericht von Amnesty International Verletzungen der Meinungs- und Pressefreiheit innerhalb Deutschlands.
Abschließend gab Hana Hamdan Saeed Al Khab einen Einblick in die jordanischen Kontrollmechanismen. Ebenso wie in Deutschland, werden jedes Jahr mehrere regionale, internationale und nationale Berichte erlassen mit Empfehlungen zur Verbesserung des Menschenrechtsschutzes. Dabei wies sie insbesondere darauf hin, dass Jordanien diesen Empfehlungen Folge leisten muss, da sie oftmals an die Weiterführung von Entwicklungshilfen gekoppelt sind.
Die IRZ dankt dem Experten und den Teilnehmenden für den lebhaften, diskussionsfreudigen und zielführenden Austausch und freut sich auf die weiteren Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit dem jordanischen Justizministerium.
Vortrag des Präsidenten des Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt a.D. Winfried Schubert (2. v. links). Jordanien
Im Rahmen der institutionellen Förderung des Bundesministeriums der Justiz veranstaltete die IRZ in Kooperation mit dem jordanischen Verfassungsgericht einen Erfahrungsaustausch zum Thema verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen und die Wirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen in Jordanien und Deutschland.
Das jordanische Verfassungsgericht nahm 2012 seine Arbeit auf, zuvor war es Aufgabe der ordentlichen Gerichte die jordanische Verfassung von 1952 auszulegen. Um weiterhin bestehenden Unsicherheiten und Fragen aus dem Weg zu räumen, setzt die IRZ ihre kooperativen Beratungen fort. Die Veranstaltung ist Teil dieser Aktivitäten.
Ähnlichkeiten der Gesetzesauslegung in Deutschland und Jordanien
Im Rahmen der Veranstaltung am 8. März 2023 gab Prof. Dr. Mayssa Baydoun, Richterin am jordanischen Verfassungsgericht, einen ausführlichen Überblick über die verschiedenen Mechanismen der verfassungskonformen Gesetzesauslegung im Land. Dabei wurden viele Ähnlichkeiten zur Gesetzesauslegung in Deutschland deutlich. Die Richterinnen und Richter wenden im Wesentlichen die teleologische, historische, grammatikalische und systematische Auslegungsmethode an.
Winfried Schubert, Präsident des Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt a. D., stellte die verfassungskonforme Gesetzesauslegung genau vor. Dabei wies es insbesondere auf Artikel 1 Abs. 3 Grundgesetz hin, welcher die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an die Verfassung bindet. Er bekräftigte die Tatsache, dass die Verfassung als lebendiger Gesetzestext wahrgenommen werden sollte, der auf der Grundlage der aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung stetig weiterentwickelt wird. Zudem gab er einen Einblick in die verschiedenen Möglichkeiten des Gerichts zur Überprüfung der Gesetze und die Rechtsfolgen, sofern ein Gesetz für nichtig oder teilnichtig erklärt wird.
Der zweite Teil des Seminartags fokussierte sich auf die Wirkung verfassungsgerichtlicher Urteile. Dr. Akram Mosaada, ebenfalls Richter am jordanischen Verfassungsgericht, wies auf die Problemstellung der Durchsetzbarkeit verfassungsgerichtlicher Urteile im fiskalischen Bereich hin. Besondere Herausforderungen ergeben sich beispielsweise, wenn ein einschlägiges Gesetz etwa im Bereich des Steuerrechts im Rahmen eines Urteils für nichtig erklärt wird und infolgedessen Rückzahlungsansprüche entstehen.
Der Erfahrungsaustausch fand seinen Abschluss mit einem weiteren Vortrag von Winfried Schubert über die Wirkung verfassungsgerichtlicher Urteile in Deutschland. In dem Zusammenhang betonte er die Wichtigkeit der Einheit der Rechtsordnung und die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts als Superrevisionsinstanz.
Die IRZ dankt den Expertinnen und Experten sowie den Teilnehmenden des jordanischen Verfassungsgerichts für den lebhaften, diskussionsfreudigen und zielführenden Austausch und freut sich auf die weiteren Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit dem jordanischen Verfassungsgericht.
Zweitägiger Erfahrungsaustausch und Fachgespräche zur Transparenz im Strafverfahren mit den Teilnehmenden des jordanischen Justizrats. Jordanien
Jordanien verfolgt bis 2026 einen strategischen Plan, der unter anderem eine Justizreform anstrebt, die transparentere und effizientere Strafgerichtsverfahren zum Ziel hat. In diesem Kontext fand im Rahmen des Projektes Effizienzsteigerung im Strafverfahren, welches die IRZ in Kooperation mit dem jordanischen Justizministerium und dem jordanischen Justizrat umsetzt, am 6. und 7. März 2023 ein Seminar zum Thema Transparenzsteigerung im Strafverfahren statt. Die Veranstaltung ist Teil des vom Auswärtigen Amt geförderten Projekts „Förderung der Rechtssicherheit: Unterstützung strafrechtlicher Reformen in Jordanien (2020-2023)“.
Zum Auftakt des Seminars wies Richter Ali Al-Muslimi, Generalsekretär des Justizrats, in seiner Begrüßung auf das große Interesse der jordanischen Partner und die Wichtigkeit der gemeinsamen Zusammenarbeit hin.
Der Fokus des ersten Seminartags lag auf der Information der Öffentlichkeit über Strafverfahren und dem Zugang der Bürgerinnen und Bürger zur Hauptverhandlung. Generalstaatsanwalt für Steuerrecht, Richter Abdullah Abu Al Ghanem, ging in seinem Beitrag auf das Grundprinzip der Öffentlichkeit im jordanischen Strafverfahren ein, Fernando Sanchez-Hermosilla, Vorsitzender Richter am Landgericht Karlsruhe, stellte das entsprechende Grundprinzip im deutschen Recht vor. Dabei zeigten die Referierenden die Gemeinsamkeiten der deutschen und jordanischen Umsetzung auf. In der anschließenden Diskussion stand die Videovernehmung im Fokus – ein Themenbereich mit besonders hoher Relevanz für die jordanischen Partner, da derzeit eine entsprechende Gesetzesänderung für die Durchführung von Videoübertragungen der Vernehmungen bei besonders schutzwürdigen Personen erarbeitet wird. Weitere zentrale Themen waren der Anwesenheitsgrundsatz im Strafverfahren und die Online-Zeugenvernehmung durch die Staatsanwaltschaft. Johannes Mocken, Staatsanwalt des Oberlandesgerichts Köln rundete den ersten Seminartag mit seinem Vortrag über die Rolle des Pressesprechers zur Information der Öffentlichkeit über Strafverfahren ab.
Der zweite Seminartag zeigte vermehrt die Unterschiede beider Rechtssysteme auf. Dabei standen die Themen das Recht des Beschuldigten auf einen Rechtsbeistand und auf Akteneinsicht sowie die Ausgestaltung der Kooperation zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft im Vordergrund. Im Jordanischen Strafverfahren muss ein Pflichtverteidiger erst dann gestellt werden und während des ganzen Verfahrens anwesend sein, wenn dem Beschuldigten eine Haftstrafe von mindestens zehn Jahren oder die Todesstrafe droht. Bei Verbrechen, die eine Haftstrafe unter zehn Jahren vorsehen, kann durch den Beschuldigten ein Antrag auf Stellung eines Pflichtverteidigers eingereicht werden, sofern ihm ein monatliches Einkommen von weniger als 400 JOD (entspricht 524.86 EUR) zur Verfügung steht. Hintergrund für diese Regelung sind unter anderem mangelnde finanzielle Ressourcen des jordanischen Strafverfahrens.
Seinen Abschluss fand das zweitägige Seminar mit einem Beitrag von Jürgen Marten, Kriminaldirektor und Dezernatsleiter des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen, über die Ausgestaltung der Kooperation zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft.
An die Veranstaltung werden im Laufe des Jahres weitere Maßnahmen anknüpfen, wie beispielsweise ein „Training of Trainers“ zum Thema Tatsachenfeststellung bei Gericht und Techniken der Zeugenvernehmung sowie ein Seminar zur Effizienzsteigerung des Strafverfahrens.
Die IRZ dankt den Experten und Teilnehmenden des jordanischen Justizrats für den zielführenden Erfahrungsaustausch, die erfolgreiche Zusammenarbeit und freut sich auf die weiteren Veranstaltungen.