Online-Erfahrungsaustausch über Struktur und Arbeitsweise der Verfassungsgerichtsbarkeit in Jordanien und Deutschland

Jordanien

Am 23. März 2022 veranstaltete die IRZ in Kooperation mit dem jordanischen Verfassungsgericht einen Online-Erfahrungsaustausch über Struktur und Arbeitsweise der Verfassungsgerichtsbarkeit in Jordanien und in Deutschland. Die Veranstaltung wurde im Rahmen der institutionellen Förderung durch das Bundesministerium der Justiz (BMJ) durchgeführt.

Die IRZ arbeitet mit dem jordanischen Verfassungsgericht seit dessen Gründung im Jahr 2012 zusammen. Nachdem die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie die Kooperation erschwerten, soll sie in diesem Jahr wieder vollumfänglich aufgenommen werden.

Im Zentrum des Austauschs standen u. a. folgende Themen:

  • Die Einrichtung des jordanischen Verfassungsgerichts und seine Rolle beim Schutz der Freiheiten und der Demokratie,
  • Aufbau, Organisation und Leitlinien der Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland,
  • Verfahren und Wege zur Entscheidungsfindung (u. a. auch die abstrakte und konkrete Normkontrolle und die Individualverfassungsbeschwerde),
  • Rolle der Verfassungsgerichtsbarkeit beim Schutz von Menschenrechten in Deutschland.

Eröffnet wurde das Seminar durch Herrn Sidi M. O. Khairy, Projektbereichsleiter für den Nahen Osten. Er begrüßte die Teilnehmenden im Namen der IRZ und begleitete die Diskussion mit Fragen und Anregungen. Auf jordanischer Seite wurde die Veranstaltung durch Vorträge von Herrn Fayez Al-Hamarneh und Dr. Akram Al-Masaedah, Richter am jordanischen Verfassungsgericht mitgestaltet. Für die IRZ nahmen Prof. Dr. Michael Eichberger, Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D. und Prof. Dr. Reinhard Gaier, ebenfalls Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D. an der Veranstaltung teil.

Während des Austauschs wurden die Ähnlichkeiten und Unterschiede der Verfassungsgerichtsbarkeiten beider Länder herausgearbeitet sowie die Konsolidierung des noch jungen jordanischen Verfassungsgerichts und seine Rolle beim Schutz von Menschenrechten und Demokratie erörtert. So legte Richter Dr. Akram Al-Masaedah im Rahmen seines Referats die Entstehung des jordanischen Verfassungsgerichts, seine Struktur, Organisation, Leitlinien und seine Rolle beim Schutz von Freiheitsrechten und der Demokratie dar. Im Rahmen der Diskussion wurde zudem die Frage aufgeworfen, wie die Verfassungsgerichtsbarkeit sich verhalten soll, wenn die getroffenen Entscheidungen nicht durch die staatlichen Stellen umgesetzt werden. Herr Prof. Dr. Reinhard Gaier ging in diesem Zusammenhang auf die Situation in Deutschland ein und sagte, dass die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in der Regel umgesetzt würden und keine weiteren Maßnahmen nötig seien. Wird Beispielsweise eine Norm für nichtig erklärt, steht damit fest, dass diese von Anfang an (ex tunc) rechtsunwirksam war. Für die unmittelbare Verwirklichung einer solchen Entscheidung bedarf es keiner besonderen Maßnahme zur Durchsetzung, vielmehr ist in der Folge lediglich die Anwendung der betroffenen Norm, insbesondere durch die Gerichte zu unterlassen. Außerdem hat das Gericht verschiedene Möglichkeiten auf die Nichtumsetzung eines Regelungsauftrags durch den Gesetzgeber zu reagieren. Die Rechtsgrundlage dafür bildet die Befugnis aus § 35 Bundesverfassungsgerichtsgesetz zur Regelung der Vollstreckung seiner Entscheidungen. Danach kann das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung bestimmen, wer sie vollstreckt und kann auch im Einzelfall die Art und Weise der Vollstreckung regeln.

Die Veranstaltung zeigte, dass das Thema weiterer Diskussionen und einem vertieften Austausch bedarf. Deshalb wird die IRZ auch in den kommenden Monaten ihre langjährige Zusammenarbeit mit der jordanischen Justiz weiterführen und vertiefen.

Online-Seminare zum Thema „Moderne Gerichtsverwaltung“

Grafik: IRZ
Grafik: IRZ
Jordanien

Im Oktober und Dezember 2021 veranstaltete die IRZ in Kooperation mit dem jordanischen Justizrat und der jordanischen Justizakademie zwei Online-Seminare zum Thema „Moderne Justiz- und Gerichtsverwaltung“. Die Veranstaltungen richteten sich insbesondere an Gerichtspräsidentinnen und Gerichtspräsidenten und wurden im Rahmen der institutionellen Förderung durch das Bundesministerium der Justiz (BMJ) finanziert.  

Im Zentrum der Seminare standen u.a. folgende Schwerpunktthemen:

  • Moderne Gerichts- und Justizverwaltung in Jordanien und Deutschland
  • Strategien zur Stärkung der Effektivität, Effizienz und qualitativen Verbesserung der Arbeit von Gerichten
  • Change-Management in der Gerichts- und Justizverwaltung
  • Einstellungsverfahren und Methoden der Personalführung
  • Fortbildungsmöglichkeiten für die Richterschaft
  • Korruptionsbekämpfung in der Gerichts- und Justizverwaltung

Auf jordanischer Seite wurden die Seminare vom Präsidenten des Gerichts erster Instanz von Amman, Ayoub Al-Sawair, eröffnet. In seinen Vorträgen ging er vor allem auf die Strukturen und Reformvorhaben in der jordanischen Gerichtsverwaltung ein. Insbesondere haben auch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie die jordanischen Gerichte vor große Herausforderungen gestellt und neue Bedarfe offengelegt.

Von IRZ-Seite wurden die Veranstaltungen durch Christian Schmitz-Justen, Vizepräsident des Oberlandesgerichts Köln, und Gerd Nolden, Leitender Regierungsdirektor des Oberlandesgerichts Köln, begleitet. 

Ziel der Veranstaltungen war es, Erfahrungen und Methoden zur Gerichts- und Personalführung auszutauschen und den Teilnehmenden neue Kenntnisse und Kompetenzen in diesen Bereichen zu vermitteln.

Auch im kommenden Jahr wird die IRZ ihre langjährige Zusammenarbeit mit der jordanischen Justiz weiterführen und vertiefen.

Erfahrungsaustausch zum Thema „Völkerrechtliche Grundlagen des Asylrechts und internationale Best-Practice-Modelle“

Grafik: IRZ
Grafik: IRZ
Jordanien

Jordanien beherbergt mehr als 750.000 Geflüchtete, von denen 80 Prozent außerhalb von Flüchtlingslagern in städtischen Gebieten leben. Allein in der Hauptstadt Amman leben mehr als 270.000 geflüchtete Personen. Nach dem Libanon nahm Jordanien weltweit prozentual die meisten Geflüchteten auf: Jede dritte in Jordanien lebende Person ist demnach ein/e Geflüchtete/r. Nicht nur die wirtschaftlich angespannte Situation stellt den Staat im Umgang mit Geflüchteten vor Herausforderungen; auch der Zugang zur Justiz für vulnerable Gruppen ist in Jordanien erschwert. Um dem entgegenzuwirken, engagieren sich in dort zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen und bieten Rechtsberatung für Geflüchtete an, um diese zu unterstützen.

Vor diesem Hintergrund organisierte die IRZ gemeinsam mit den drei jordanischen Nichtregierungsorganisationen Justice Center for legal aid, Mizan und ARDD am 1. Juli 2021 einen ersten Online-Erfahrungsaustausch zum Thema „Völkerrechtliche Grundlagen des Asylrechts und internationale Best-Practice-Modelle“. Ziel der Veranstaltung war es, Defizite im Umgang mit Geflüchteten aufzudecken und mit den Organisationen Fachwissen aus der deutschen Praxis zu teilen. Zudem wurde thematisiert, wie zivilgesellschaftliche Akteure die Lage von Geflüchteten verbessern und diese unterstützen können.

Im Auftrag der IRZ beteiligten sich Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW, und Rechtsanwalt Jochen Beekes an der Veranstaltung. Nachdem Jochen Beekes die Entwicklung und u.a. daraus resultierende Defizite des deutschen Asylrechts vorgestellt hatte, ging Birgit Naujoks explizit auf die Rolle von zivilgesellschaftlichen Akteuren bei Migrationsfragen ein. Auf jordanischer Seite berichteten Hadeel Abdel Aziz (Legal Center) sowie Suzan Mohareb (ARDD) von der Arbeit ihrer Organisationen und der Situation der Geflüchteten in Jordanien. Nach den Einführungen der Expertinnen und des Experten standen folgende Themen im Mittelpunkt des Fachgesprächs:

  • Implementierung internationaler Konventionen in nationales Recht: Genfer Flüchtlingskonvention und Europäische Menschenrechtskonvention
  • Asylrecht und dessen Praxis in Deutschland: Schwerpunkte und Reformen seit 2015
  • Die Rolle der Zivilgesellschaft in Asyl- und Migrationsfragen in Deutschland: Flüchtlingsräte in Deutschland als Best-Practice-Beispiele

Die regen Diskussionen und der Austausch zwischen dem Experten und den Expertinnen sowie den Teilnehmenden haben gezeigt, dass das Thema von besonderer Relevanz ist. Auch wurde deutlich, dass der Umgang mit Geflüchteten Jordanien und Deutschland vor ähnliche Herausforderungen stellt. Zukünftig sinnvolle und menschenwürdige Grundlagen zu schaffen, ist für beide Staaten ein angestrebtes Ziel.

Um den Austausch weiter zu fördern und einen Beitrag zur Lösung von Migrationsfragen im rechtlichen Bereich leisten zu können, strebt die IRZ eine Vertiefung der Kooperation in diesem Bereich mit zivilgesellschaftlichen Akteuren in Jordanien an

Die Veranstaltung wurde vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) gefördert.